Cyrion
melancholischen Lächeln.
»Nun denn, was soll ich tun? Mein ererbtes Vermögen habe ich bei den Ausschweifungen meiner Jugend vergeudet. Falsche Freunde brachten mich vom rechten Weg ab. Doch dann begann ich meine Fehler zu bereuen und mühte mich, mir ein neues Vermögen zu schaffen. In diesen schweren Tagen, als ich eines Morgens durch die Stadt ging, sah ich einen Engel, der in einer Sänfte vorübergetragen wurde, das schönste Mädchen von Andriok: Berdice, die Tochter des Seidenhändlers Sarmur. Sarmur ist reich, ich war zu dieser Zeit ohne einen Pfennig. Aber um meiner Herkunft willen gestattete er mir, sein Kind zu heiraten, und bedachte sie mit einer reichen Mitgift. Und was habe ich zu bieten? Nichts? Natürlich dachte ich an diesen Ring, den einzigen Besitz, den ich nie aus der Hand gegeben hatte. Er befindet sich seit Generationen in unserer Familie. Sollte er in einer Schachtel liegen oder die Hand meiner lieblichen Frau schmücken?«
Blond, schön und mit nur einem Hauch höflicher Langeweile, betrachtete Cyrion den fraglichen Ring.
Er lag in einem Nest aus azurblauem Samt, auf dem das warme Braun des Steins noch dunkler schimmerte; eine Gemme aus Bernstein in einer Fassung aus schwerem Gold. In den Stein eingraviert waren eine Lilie, eine fliegende Schwalbe und eine Sonne. Ganz sicher war er herrlich. Ebenso sicher hatte Cyrion von ihm gehört. Er hatte einen Spitznamen: Der Abschiedsring.
»Was sagt Ihr, Cyrion? Welchen Rat gebt Ihr mir? Die Sage von dem Ring will ich gelten lassen, aber seit hundert Jahren hat niemand mehr durch ihn den Tod gefunden.«
»Weil niemand ihn während dieser Zeit getragen hat.«
Der junge Mann seufzte. Er hatte ein starkes, anziehendes Gesicht, das durch leuchtend blaue Augen verschönt und durch einen schlaffen Mund entstellt wurde. Volf nannte er sich. Er stammte aus dem Westen, obwohl seine Frau und der Ring östlicher Herkunft waren. Er war Cyrion in einem teuren Gasthaus in der Straße des Himmels begegnet. Es war ein zufälliges Zusammentreffen gewesen, aber Volf schien Cyrion und seinen Beinamen zu kennen. Es war möglich, daß er nach Cyrion gesucht hatte, um ihn um Rat zu fragen, denn hier und da genoß Cyrion den Ruf unbarmherziger Klugheit.
»Die Gravur interessiert mich«, sagte Cyrion.
»O ja. Die Lilie, Symbol der Seele; die fliegende Schwalbe, Symbol der Freiheit; die Sonne, Symbol des Himmels.«
»Ich sehe, Ihr habt darüber nachgedacht«, meinte Cyrion milde. »Aber sagt mir jetzt, was Ihr über den Fluch wißt.«
Volf grinste. »Was ich weiß, bestärkt mich noch in der Meinung, daß die Sage eben nur das ist, eine Geschichte, um Diebe abzuschrecken. Angeblich ließ eine Königin aus dem Osten diesen Ring für ihren Gemahl anfertigen. Aber in der Absicht, etwas wirklich Besonderes zu bekommen, wandte sie sich an einen Dämonen. Daher die Symbole, die alle mit Gott in Zusammenhang stehen - Lilie, Schwalbe, Sonne - und die sie den Dämonen in den Stein gravieren hieß, um damit alles Böse abzuwenden, das er vielleicht im Schilde führte. Der Dämon allerdings kümmerte sich nicht um die Symbole. Die Königin schenkte den Ring ihrem Gatten, als er in die Schlacht ritt, und hoffte, er würde ihn beschützen. Aber kaum hatte er seinem Pferd die Sporen gegeben und sein Schwert gegen den Feind erhoben, als der König tot aus dem Sattel stürzte. Es gab keine Wunde an seinem Körper, aber sein Gesicht war zu einer Maske des Entsetzens erstarrt.
Die Schlacht ging verloren und der Ring fiel an den Sieger, der dem Zwischenfall keine Bedeutung beimaß. Er trug den Ring drei Jahre lang, obwohl er ein ungläubiger Schuft war.
Eines Tages ging er dann in die Wüste auf Löwenjagd. Niemand war bei ihm, als sein Pferd plötzlich stolperte. Im nächsten Augenblick war er tot. Wieder kein sichtbarer Angreifer, keine Wunde und ein vor Entsetzen verzerrtes Gesicht. Aber all das ist eindeutig absurd. Soll ich weitersprechen?«
»Wenn es Euch langweilt, besteht nicht die Notwendigkeit«, Cyrion machte Anstalten, sich zu erheben.
»Nein, nein. Wartet. Ich brauche Euren Rat, guter Herr. Ich will fortfahren. Der Sohn des Eroberers erbte den Ring, fürchtete sich aber, ihn zu tragen. Ein Jahrhundert später wurde der Ring von einem Magier aus seiner Schatzkammer gestohlen, der von dessen magischen Eigenschaften angetan war. Er trug ihn einige Monate, ohne daß etwas geschehen wäre. Dann zerstörte ein Erdbeben sein Haus, und er starb. Räuber fanden den Ring unter
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