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Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin

Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin

Titel: Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Psychotherapeutin geworden bin und nicht die Rallye Dakar fahre.
    Genauso ist es auch in der Psychotherapie mit der Dosierung. Wenn Sie bisher zu allem Ja und Amen gesagt haben und jetzt ausprobieren, was passiert, wenn Sie das mal nicht tun, werden Sie möglicherweise zuerst über das Ziel hinausschießen. Und vielleicht wird der eine oder andere in Ihrem Bekanntenkreis zunächst einmal irritiert sein. Entweder weil Sie es tatsächlich übertrieben haben, oder auch nur, weil man dieses Verhalten von Ihnen nicht gewohnt ist. Und eventuell wird sich dann die Spreu vom Weizen trennen. Es wird die wahren Freunde geben, die sich für Sie freuen, wenn es Ihnen jetzt besser geht, und die akzeptieren, dass Sie ab jetzt auch eine eigene Meinung haben. Und es wird die geben, die den Verlust von jemandem bedauern, der ihnen stets seine Aufmerksamkeit schenkte, obwohl sie selten etwas zurückgaben, und der immer tat, was sie wollten, ohne das labile Gleichgewicht der Beziehung mit eigenen Wünschen zu belasten.
    Immer wieder erlebe ich, dass Partnerschaften und sogenannte Freundschaften eine Psychotherapie nicht überdauern. Nicht, weil der Therapeut seinem Patienten einredet, er müsse sich doch von diesen Leuten trennen. Ein guter Therapeut greift nicht ins Leben seiner Patienten ein. Sondern weil die Patienten erkannt haben, dass diese Beziehungen sie krank gemacht haben.
    Auch das sind Risiken und Nebenwirkungen. Ich habe allerdings noch keinen Patienten erlebt, der nach der Therapie einsamer war als vorher.
    Da ich es noch nicht ausdrücklich erwähnt habe, tue ich es hier: Der Therapeut unterliegt der Schweigepflicht . Was seine Patienten ihm erzählen, darf er niemandem weitererzählen, es sei denn, sie entbinden ihn ausdrücklich davon, zum Beispiel einem anderen Arzt gegenüber.
    An dem Tag, an dem ich dies geschrieben habe, tauchte abends im Fernsehen in einem Tatort eine Psychotherapeutin auf, die einen Mann im Beisein mehrerer anderer Personen fragte: »Waren Sie nicht schon einmal vor ein paar Jahren bei mir in Behandlung?«
    Nein, so etwas wird Ihnen nicht passieren. Es sei denn, Sie bekommen eine Rolle in einem Tatort . Falls doch, kann die Therapeutin, die auf diese Weise gegen die Schweigepflicht verstoßen hat, Ärger bekommen. Gewaltigen Ärger.
    Die meisten Therapeuten sind so diskret, dass sie ihre Patienten auf der Straße nur dann grüßen, wenn die allein unterwegs sind oder wenn sie zuerst gegrüßt haben. Sie müssen also nicht befürchten, dass das Schnuckelchen, das Sie eben in der Disco kennengelernt haben, Sie fragt: »Wer war denn das eben?«, und Sie antworten müssen: »Das ist meine Psychotherapeutin.«
    Andererseits wäre das doch schon einmal ein netter erster Test, wie Schnuckelchen darauf reagiert.
    Patienten sehen es nicht gern, wenn Psychotherapeuten frei herumlaufen. Sie erschrecken oft, wenn sie ihrem Therapeuten auf der Straße begegnen. Sie wünschen sich, allabendlich käme die Putzfrau in die Praxis, würde unseren Stecker ziehen, den Therapeuten in den Wandschrank stellen, um ihn morgens wieder hervorzuholen und kurz abzustauben, bevor er wieder seinen Dienst antritt. Patienten wollen nicht, dass wir draußen herumlaufen, und das ist auch verständlich. Für sie sind wir Gefahrguttransporter. Schließlich tragen wir all das mit uns herum, was sie vielleicht noch nie einem Menschen anvertraut haben, weil sie es für hochexplosiv halten.
    Bei uns ist es so ähnlich wie bei Priestern in der Beichte. Psychotherapeuten müssen sogar für sich behalten, wenn Patienten ihnen von einer Straftat erzählen, die sie begangen haben und die unentdeckt geblieben ist. Lediglich, wenn der Patient ihnen von einer Straftat erzählt, die er zu begehen beabsichtigt, müssen sie etwas dagegen unternehmen. Das ist aber auch schon die einzige Ausnahme. Zu allem anderen müssen Sie ausdrücklich Ihre Zustimmung geben. Dazu gehört auch, dass Ihr Therapeut sich nicht darauf einlassen wird, wenn einer Ihrer Angehörigen ihn anruft, um ihm etwas zu erzählen, von dem er meint, Sie hätten es bestimmt verschwiegen.
    Nun haben Sie also bereits eine ungefähre Vorstellung davon, wie ein therapeutischer Kontakt zustande kommt. Stellen wir uns vor, Patient und Therapeut haben beschlossen, weiter miteinander zu arbeiten.
    Und schauen wir mal, wie es danach weitergeht.

Kapitel 3
    Die Psychotherapie - jetzt geht ' s los!
    Herr Ich räumt auf
    Haben Sie schon mal einen Hitchcock-Film gesehen? Alfred Hitchcock war

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