Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin
bestärken. Dieses Misstrauen wird den Patienten, der spürt, dass die Therapie ihm guttut, wiederum kränken – und schon haben die beiden wunderbare neue Anlässe, sich zu fetzen.
Es ist besser, wenn Sie erst einmal für sich behalten, was in der Therapie geschieht, glauben Sie mir. In einer guten, vertrauensvollen Partnerschaft werden Sie früher oder später sowieso darüber sprechen. Und in einer anderen tun Sie sich damit keinen Gefallen. Wer der Meinung war, Sie hätten sich Ihre Depression nur eingeredet, wird auch davon überzeugt sein, Sie reden sich nur ein, dass es Ihnen jetzt besser geht.
Was die Sache zusätzlich schwierig macht, ist die Tatsache, dass der Partner mit seinem Misstrauen ja oft nicht völlig unrecht hat. Auch der Therapeut kann nicht vorhersagen, welche Partnerschaft und welche Freundschaft seiner Patienten die Behandlung überstehen wird und welche nicht. Stellt sich im Verlauf der Behandlung für den Patienten heraus, dass die Beziehung eine wesentliche Ursache seiner Beschwerden ist, oder Freundschaften ihm zu schaffen machen, in denen er stets mehr gibt als nimmt, oder despotische Eltern, die ihm noch immer Vorschriften machen oder von denen er sich verletzen lässt, so kann es durchaus passieren, dass er sich in diesen Beziehungen endlich einmal auf die Hinterbeine stellt oder sie sogar beendet.
Und der Therapeut muss dann damit leben, dass Menschen herumlaufen, die der festen Überzeugung sind, er hätte das der vorher doch so pflegeleichten Ehefrau, der pflegeleichten Freundin, der pflegeleichten Tochter eingeredet. Schließlich ist es leichter, mit der Vorstellung zu leben, der böse Psychotherapeut habe der Ehefrau das Gehirn gewaschen, als sich eine Mitschuld am Scheitern der Beziehung einzugestehen.
So wenig ich davon halte, alles, was in der Therapie besprochen wurde, zu Hause zu erzählen, so wenig halte ich von einer Generalabrechnung mit den Eltern.
Natürlich kommt im Therapieverlauf einiges auf den Tisch, was früher einmal schiefgelaufen ist. Bei Psychoanalytikern und Tiefenpsychologen gern auch aus der Zeit, als die Eltern noch für das Wohlergehen der Patienten verantwortlich waren. Einige Patienten haben dann den Wunsch, mit ihren Eltern darüber zu sprechen. Meist ist das keine gute Idee, aus mehreren Gründen.
Wir arbeiten mit erwachsenen Patienten. Was damals vorgefallen ist, liegt mindestens ein Jahrzehnt, manchmal aber auch sechzig Jahre und länger zurück. Möchten Sie sich für etwas rechtfertigen müssen, was Sie vor Jahrzehnten getan haben? Und genau das ist es, was Sie in der Regel bekommen werden: eine Rechtfertigung.
Die Eltern, die sich fragen, ob sie denn alles richtig gemacht haben, waren vermutlich schon immer recht offen auch für Zweifel und haben wahrscheinlich nicht sehr viel verkehrt gemacht. Mit solchen Eltern ist eine Generalabrechnung sowieso nicht nötig.
Ich sagte anfangs bereits, dass alle Patienten eines gemeinsam haben: unreife Eltern. Die meisten unreifen Eltern bleiben unreif und sind es auch mit fünfzig oder mit neunzig Jahren noch.
Was viele Menschen sich von Herzen wünschen, ist, dass ihre Eltern ein einziges Mal anerkennen, dass etwas, was sie ihrem Kind früher angetan oder zugemutet haben, nicht gut war. Dies tun zu können, setzt jedoch die Fähigkeiten eines reifen Menschen voraus, Verantwortung für sich und andere übernehmen zu können. Wer das nicht kann, wer selbst innerlich noch Kind ist, wird eher Verständnis für sein eigenes Handeln fordern, wird sich rechtfertigen und vielleicht anfangen zu weinen, wütend oder verletzend werden. Es gibt unreife Eltern, die ihren Kindern vorwerfen, selbst schuld daran zu sein, dass sie früher sexuell missbraucht wurden. Mit anderen Worten: Bei den Eltern, bei denen Verständnis früher nicht zu finden war, wird es meist auch später nicht zu finden sein. Vielmehr wird der Versuch häufig nur zu neuen Verletzungen führen. Das müssen Sie weder sich noch Ihren Eltern antun, die sich schließlich auch nicht ausgesucht haben, so zu sein, wie sie sind.
Der richtige Rahmen, sich mit den Eltern auseinandersetzen, ist deshalb die Psychotherapie. Hier kann man sich noch einmal ansehen, was geschehen ist. Einer der Aspekte, die diesen Rückblick zu einer heilsamen Erfahrung machen, ist die Tatsache, dass man dieses Mal damit nicht alleingelassen wird.
Auch hierzu werfen wir wieder einen kleinen Blick durchs Schlüsselloch einer psychotherapeutischen Praxis.
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