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Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin

Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin

Titel: Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Nonplusultra einer gesunden Lebensführung.
    Außerdem ist es wichtig zu wissen, dass es verschiedene Schlafphasen gibt, tiefere und leichtere. Und es ist ein Irrtum zu glauben, dass es Menschen gibt, die die ganze Nacht durchschlafen. Selbst Bären ratzen nicht den kompletten Winter durch. Jeder wacht nachts mehrmals auf. Jeder. In der Regel kann man sich am nächsten Tag nur nicht mehr daran erinnern.
    Man kann sich natürlich auch dazu bringen, bei jedem Aufwachen in Panik zu verfallen und sich zu sagen: Da. Ich bin wieder aufgewacht. Verflixt. Gelingt es mir denn nie, auch nur eine Nacht durchzuschlafen? Und schon ist man hellwach.
    Zumindest glaubt man das. In Wahrheit befinden sich Körper und Psyche noch in einem völlig anderen Zustand als im Sitzen oder Stehen. Psychoanalytiker machen sich das zunutze, wenn sie den Patienten während der Behandlung auf der Couch liegen lassen. Da das Unbewusste ja unten im Keller wohnt, muss es in dieser Position nicht so mühsam die Treppen erklimmen, sondern kann sich ebenerdig fortbewegen.
    Viele Menschen nutzen das nächtliche Aufwachen gern zum Grübeln. Und sie leiden darunter. Es ist ein Dilemma. Einerseits muss man liegen bleiben, denn man sollte ja eigentlich schlafen, schließlich muss man am nächsten Tag fit sein. Andererseits klappt das mit dem Schlafen aber nicht. Es ist, als habe man plötzlich verlernt, wie es geht. Stattdessen liegt man da und grübelt. Herr Über-Ich, der Angst hat, das Es würde die Gunst der Stunde nutzen, die Macht im Haus zu übernehmen, läuft zu voller Form auf. Lang und breit erklärt er, was seiner Meinung nach alles schiefläuft. Und der nun Schlaflose liegt da, darf sich anhören, was er Tag für Tag alles verbockt und fühlt sich immer mieser.
    Das ist nicht gut. Hören Sie mit dem Grübeln auf. Das erscheint zunächst schlicht unmöglich. Aber erstaunlich viele Patienten berichten mir nach einiger Zeit, dass die nächtliche Grübelei tatsächlich nachgelassen hat.
    Mitunter gibt es Dinge, die einem wirklich Sorgen machen, und die gelöst werden müssen. Eigentlich ist das die Domäne von Herrn Ich. Darin ist er ganz groß. Das Problem ist nur, dass er ausgerechnet zu der Zeit, wenn Sie nachts wachliegen und grübeln, seine Tiefschlafphase hat.
    Und noch etwas anderes passiert, während Sie sich schlaflos in den Kissen wälzen: Ihre Psyche lernt etwas, von dem Sie gar nicht wollen, dass sie es lernt. Eigentlich soll sie lernen, dass das Bett zum Schlafen da ist. Und für andere nette Dinge. Aber nicht zum Grübeln und Sich-mies-Fühlen. Wenn Sie aber stundenlang im Bett liegen und grübeln, lernt Ihre Psyche schnell, dass das Bett ein prima Ort zum Wachliegen und Grübeln ist. Das sollten Sie ihr dringend wieder abgewöhnen. Ebenso wie andere Albernheiten.
    Man kann Seehunden beibringen, Bälle zu jonglieren. Und man kann seiner Psyche beibringen, einen jede Nacht um exakt die gleiche Zeit zu wecken. Das ist genauso wenig sinnvoll, aber bei Weitem nicht so putzig. Für manche Menschen ist das beinahe wie ein Fluch. Sie wissen schon, dass sie in dieser Nacht wieder exakt um drei Uhr dreizehn aufwachen werden, beinahe mit der Präzision einer Funkuhr.
    Das Es spielt gern. Und nachts ist es munter. Wie eine Katze wartet es nur darauf, dass Sie zeigen, dass Sie wach sind. Wenn Sie mit einem »O nein! Ich wusste es! Schon wieder drei Uhr dreizehn!« hochschrecken, macht es sich garantiert den Spaß, Sie in der nächsten Nacht wieder zur gleichen Zeit zu wecken.
    Bei einem Freund von mir führte das zu massiven Schlafstörungen. Bis ihm jemand einen Rat aus der Trickkiste der Verhaltenstherapeuten gab. Danach war es innerhalb von zwei, drei Nächten vorbei mit dem Spuk.
    Er hatte lediglich seinen Wecker mit einem Tuch abgedeckt. Und schon fühlte das Es sich um seinen Schabernack betrogen.
    Kehren wir zum nächtlichen Grübelverbot zurück. Schäfchenzählen ist okay, an erfreuliche Dinge denken ist auch okay. Unerfreuliches ist verboten. Entweder handelt es sich um die blanken Beschimpfungen eines nächtlich im Haus umherirrenden Herrn Über-Ich, die man nicht zulassen sollte. Oder es handelt es sich um etwas, das tatsächlich jetzt, hier und auf der Stelle gelöst werden muss. Dann werden Sie das gewiss nicht im Liegen erledigen können.
    Stehen Sie auf, nehmen Sie sich Stift und Papier oder schalten Sie den PC ein und öffnen eine Datei. Und dann schreiben Sie auf, was Ihnen in den Sinn kommt. Allein schon dadurch, dass Sie das Bett

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