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Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin

Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin

Titel: Da gehen doch nur Bekloppte hin - aus dem Alltag einer Psychotherapeutin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Sie sich schon einmal die Frage gestellt, woran Sie merken, dass es gut wäre, einen Zahnarzt aufzusuchen? Wahrscheinlich nicht. Sie gehen zum Zahnarzt, wenn Sie Zahnschmerzen haben. Fertig. Vielleicht gehen Sie sogar regelmäßig zur Kontrolle dorthin.
    Im Bereich der Psychotherapie sind wir noch weit von solcher Normalität entfernt. Häufig vergehen viele Jahre, bis eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung bei dem Psychotherapeuten oder Facharzt landet, wo sie hingehört.
    Noch wird dem Zustand der Psyche bei Weitem nicht die gleiche Aufmerksamkeit gewidmet wie dem der Zähne. Stellen Sie sich vor, es gäbe das Angebot der Krankenkassen, ein- oder zweimal im Jahr zu einem Psychotherapeuten zu gehen und ihn kurz – Bitte weiiit aufmachen! – in ihr Leben gucken zu lassen. Er würde Sie fragen, wie zufrieden Sie in Ihrem Beruf sind, in der Partnerschaft, mit der Familie, wo Sie gern etwas verändern würden und wo Sie sich möglicherweise gefährdet fühlen, beispielsweise durch Süchte. Und danach könnten Sie entweder fröhlich verkünden: »Er hat überhaupt nicht gebohrt!«, oder Sie könnten sich dazu entschließen, ein paar Stündchen lang einer beginnenden seelischen Karies vorzubeugen. Vielleicht gäbe es sogar Bonuspunkte von der Krankenkasse dafür.
    Nein, diese Vision ist kein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Psychotherapeuten. Wie Sie gleich feststellen werden, haben wir mehr als genug zu tun. Wir fänden es nur schön, wenn Menschen nicht ewig leiden müssten, bevor sie zu uns kommen.
    Vor allem die Hausärzte würde das gewiss stark entlasten. Man geht davon aus, dass ein Viertel aller Patienten, die in ärztlichen Wartezimmern sitzen, nicht körperliche, sondern psychische Probleme haben. Zudem hätten die Psychovorsorgeuntersuchungen den Effekt, dass die Menschen die Angst vor dem Psychotherapeuten verlieren. So wie die, die regelmäßig zur Kontrolle zum Zahnarzt gehen, keine Angst mehr vor der Frau oder dem Mann mit dem Bohrer haben. Naja, nicht mehr ganz so viel Angst zumindest.
    Aber woran merkt man denn nun, dass es gut wäre, eine Psychotherapie anzufangen? Eigentlich zeigt die Frage schon, dass das Verhältnis vieler Menschen zum Psychotherapeuten ein – gelinde gesagt – ausbaufähiges ist.
    Klar, die Unsicherheit, wann der richtige Zeitpunkt ist, die besteht immer. Man rennt schließlich auch nicht gleich zum Arzt, wenn es mal für eine Zehntelsekunde irgendwo gekniffen hat. Es sei denn, man ist praktizierender Hypochonder. Und man geht auch nicht jedes Mal zum Zahnarzt, wenn ein Zahn kurz wehtut. Man kann aber auch warten, bis alle Zähne rausgefault sind und kann sich deshalb besonders cool finden, weil man kein Weichei ist, das bei jeder Kleinigkeit zum Doktor rennt.
    Jeder hat mal einen schlechten Tag. Jeder hat auch mal ein paar schlechte Tage hintereinander. Jeder hat mal Selbstzweifel, und das ist auch gut so. Bedenklich wird es, wenn Sie ohne erkennbaren Anlass über längere Zeit, sagen wir über mehrere Wochen oder gar Monate, in Ihrem Lebensgefühl beeinträchtigt sind. Wenn Sie das Lachen verlernt haben. Wenn Sie selbst in netter Gesellschaft nicht abschalten können von düsteren Gedanken. Wenn Ängste oder Zwänge Sie so einschränken, dass Sie Ihres Lebens nicht mehr froh werden. Wenn Ihr Selbstwertgefühl nicht nur am Boden ist, sondern irgendwo in der Kanalisation herumschleicht.
    Meist sind es dann nicht einmal die Patienten selbst, die auf die Idee kommen, sich einen Psychotherapeuten zu suchen, sondern es sind ihre Mitmenschen, die ihnen dringend anraten, den Schritt zu tun. Und selbst dann wird oft noch lange getrödelt. Ich habe noch keinen Patienten erlebt, der zu früh zu mir kam.
    Aber natürlich gibt es die Schlaumeier, die meinen, die meisten Leute würden doch allein mit ihren Krisen fertig und brauchten keinen Psychotherapeuten.
    Ich habe nie verstanden, warum es bei psychischen Erkrankungen so ehrenhaft sein soll, sie allein zu bewältigen. Und warum es als Niederlage empfunden wird, wenn man dabei Hilfe in Anspruch nimmt. Viele meiner Patienten erzählen mir, wie lange sie versucht haben, mit ihren Beschwerden allein klarzukommen. Und dass sie sich dafür schämen, nun kapituliert zu haben und sich in psychotherapeutische Behandlung begeben zu müssen. Diese Aussage bringt mich regelmäßig dazu, innerlich zu seufzen. Wenn ich einen schlechten Tag habe, denke ich dann auch gern mal eine Viertelsekunde darüber nach, ob mein Leben nicht angenehmer

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