Da gewöhnze dich dran
mit dem Hagelzucker. Hasse gehört, Kalle?» Sie schüttelt den Hund. «Heute kricht Mutti Zuckergebäck.»
Sie krault Kalle hinter den Ohren und küsst ihn auf den Kopf. Dann fragt sie mich: «Hat der Maik eigentlich den Fleck aus deine Couch rausgekricht?»
Ich nicke. «Er hatte so einen Sauger dabei und hat mein Sofa nass abgesaugt.»
«Hab ich doch gesacht. Der Maik is Experte in so watt. Ich hab übrigens den Rainer rausgeschmissen.»
«Habe ich schon am Türkranz gesehen. Wo war er denn, als er nicht nach Hause kam?»
«Keine Ahnung, is mir auch egal. Ich hab ihn einfach rausgeschmissen.»
«Ich gehe dann jetzt mal frühstücken», sage ich, um der Gefahr zu entgehen, dass sich die Plauderei wieder in mein Wohnzimmer verlagert.
«Jo, mach gut», sagt Gabi. «Man sieht sich, woll.»
«Man sieht sich.»
Nach dem Frühstück schreibe ich Björn eine SMS : «Lust auf einen Abend mit mir?»
Dann fahre ich die B 54 hinauf in Richtung Innenstadt, zur gesperrten Autobahn. Die Straße führt bergan, ich habe nur sieben Gänge, dafür ein kleines weißes Körbchen auf dem Gepäckträger. Voll ausgestattete Trekkingradbesitzer in Fahrradhose, Trikot und Helm überholen mich. An ihren Gepäckträgern sind keine weißen Körbchen montiert, sondern wasserdichte Fahrradtaschen aus Neopren, mit zwanzig Litern Fassungsvermögen für alle Eventualitäten.
Ich passiere den Parkplatz des Westfalenstadions, der gerammelt voll ist. Familien mit Kindern, Paare mit und ohne Rad steigen aus ihren Wagen aus, schnallen sich Rucksäcke auf und wandern in Richtung B 1 . Es ist, als habe der Sauerländer Gebirgsverein zur Stürmung des Großglockners aufgerufen. Ich schnaufe im Schatten der Trekkingradler weiter bergan, bis ich zur Auffahrt komme, an der Melanie und Katrin mich treffen wollen. Es ist wie Kirmes. Menschen über Menschen strömen auf die gesperrte Stadtautobahn, überspülen die vier Spuren, bilden einen Fluss aus Leibern. Die Spur direkt vor mir ist die Fahrradspur. Die Feuerwehr hat eine Löschübung aufgebaut und demonstriert, wie man sich bei einem Brand verhalten soll. Dahinter, hinter der Feuerwehr und einem Grünstreifen, auf der gegenüberliegenden Seite, sitzen Menschen auf Biertischgarnituren, vor sich Picknickkörbe, Thermoskannen und Kaffeebecher, Tupperdosen mit Formfleischfrikadellen und Schalen mit Nudelsalat.
Die Aufbauten der Feuerwehr behindern die Menschenströme, die rechts aus Richtung Aplerbeck und von der B 54 kommen. Als eine dicke Traube kleben sie zwischen Absperrband, Feuerleiter und der Randbegrünung. Die Radfahrer schieben.
Ich schaue nach rechts, warte auf Melanie und Katrin, aber es ist sinnlos, sie zu suchen.
Hinter der Feuerwehr und hinter den Biertischgarnituren mit den Frikadellenessern flanieren die Menschen in Massen von links nach rechts und rechts nach links, andere sitzen am Straßenrand und rollen selbstgeschmierte Brötchen aus einer Alufolienverpackung. Ich blicke wieder zur Traube der schiebenden Fahrradfahrer, schaue von einem Gesicht ins nächste, in der Hoffnung, Melanie zu entdecken. Von Katrin kenne ich nur das Facebook-Foto, das Bild einer Rothaarigen mit Sommersprossengesicht. Ich blicke auf mein Handy. Es zeigt 12 . 07 Uhr. Ich schreibe eine SMS an Melanie: «Bin da, wo seid ihr?» Nach nur wenigen Sekunden kommt die Antwort: «Sind noch auf dem Weg, ist total voll hier. Aktuell Märkische Straße.» Sie sind also nur knapp 400 Meter entfernt. «Könnt ihr fahren?», schreibe ich zurück. Antwort: «Keine Chance.» Es kann also noch dauern.
Ich lege mein Fahrrad ins Gras, setze mich daneben und warte. Väter mit Kindern im Gepäcksitz, Mütter mit Radanhängern und Senioren in Klimawesten und Trekkinghosen schieben vor meinen Augen in Richtung Ortsausgang, geduldig, fröhlich, lachend. Nach 30 Minuten, ich bin etwas benommen von der Sonne und dem Trubel um mich herum, stehen Melanie und Katrin neben mir. «Dat is Katrin. Katrin, dat is Nessy, meine neue Kollegin», stellt Melanie uns beide vor. Katrin ist unverkennbar Eichhörnchens Schwester. Nicht nur die roten Haare lassen keinen Zweifel, auch die Augenpartie, die exakt die gleiche ist. Am meisten sind es jedoch die kleinen, etwas linkischen Bewegungen, die mich an ihn erinnern.
«Hallo», sagt Katrin und reicht mir die Hand. «Ich bin die Schwester von Thorsten.»
«Freut mich», sage ich und ergreife sie. «Thorsten hat mir von dir erzählt. Dass du Handball spielst und so.»
«Du bist also die
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