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Da gewöhnze dich dran

Da gewöhnze dich dran

Titel: Da gewöhnze dich dran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Giese
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Kollegin, die noch eine Mannschaft sucht.»
    «Suchen nicht direkt», sage ich. «Aber ich bin auch nicht böse, wenn ich eine finde.»
    Melanie schiebt ihr Rad ungeduldig vor und zurück. «Lass uns ma weiter. So voll, wie dat hier is, brauchen wa bestimmt ’ne Ewigkeit, um ein bissken wat voranzukommen. Ich will minichstens bis nach Bochum.»
    Wir schieben an der Feuerwehr vorbei. Danach können wir kurz fahren. Auf der Gegenseite, der Fußgänger und Biertischspur, haben Leute Sonnensegel und weiße Pavillons mitgebracht und sie über ihrem Platz aufgebaut – wer nichts hat, sitzt in der Sonne, die jetzt mit voller Kraft scheint. Wir fahren an Tischen mit Musikanten vorbei, mit Familien, mit Umweltinitiativen, Parteien und Vereinen. Aus allen Ecken klingt Musik. Es riecht nach Gegrilltem.
    Kurz vor der Schnettkerbrücke, die hinter der Dortmunder Innenstadt das Emschertal überquert, ist wieder Stau. Wir sind nur knapp einen Kilometer weit gekommen, steigen ab und stehen bald in einem Pulk von Fahrrädern. Es geht erneut weder vor noch zurück.
    «Dat is doch Mist», mosert Melanie. Die Fahrbahn verengt sich. Die Schnettkerbrücke ist gerade eine Baustelle. Provisorische Leitplanken begrenzen die Fahrt. Einige Fahrradfahrer heben ihre Räder darüber und versuchen dahinter weiterzukommen. Doch schon bald füllt sich auch der kleine Platz zwischen den Leitplanken und einem aufgetürmten Lärmschutzwall.
    «Was hat Thorsten dir denn noch so erzählt?», frage ich Katrin. «Abgesehen davon, dass ich Handball spiele, meine ich.» Sie fährt ein schweres Hollandrad, auf das sie Sonnenblumen und Margeriten gemalt hat.
    «Nur, dass du jetzt mit ihm arbeitest und dass du ’ne ganz Nette bist.»
    «Eine ganz Nette?»
    Katrin winkt ab. «Das hat bei meinem Bruder nichts zu bedeuten. Weißt du, er ist ein bisschen … mmmh …» Sie sucht nach Worten.
    «Asexuell?», mischt sich Melanie ein.
    Katrin lacht. «Eigentlich wollte ich ‹unbedarft› sagen.»
    Melanie sagt: «Schwul isser nich. Dat hab ich überprüft. Außerdem hatta ja auch die Mareike.»
    Katrin lacht. «Wie hast du das denn überprüft?»
    «Ich hab mir ’nen Push-up angezogen», sie hält sich in gehörigem Abstand die Hände vor ihre kleinen Brüste, «und hab mich über seinen Schreibtisch gebeucht. In die Augen hatter mir dammals nich geguckt!»
    Katrin lacht immer noch. «Ich weiß ganz sicher, dass er nicht schwul ist.»
    «Gibbet nich solche Puppen, die total lebensecht sind und die man aufblasen kann?», fragt Melanie. «Vielleicht wäre dat wat für ihn, wo er’s mit ’m Zwischenmenschlichen nich so hat. Dann müsster auch nich so viel reden.»
    «Du meinst Sexpuppen?», werfe ich ein, reiße meine Augen auf und forme meinen Mund zu einem O.
    «Nee, richtige», meint Melanie, «lebensgroß. Mit Haaren und Kleidung und allem. Hab ich schomma inner Doku über Männer mit Bindungsängsten gesehen. Mit so ’ner Puppe könnte Thorsten ’ne WG gründen, sie morgens ankleiden, abends ausziehen, und vor dem Schlafengehen könnt er se neben sich setzen, während er wat am Computer zockt.»
    Katrin zieht einen Flunsch. «Ihr seid gemein. Er ist echt liebevoll.»
    «’tschulligung», sagt Melanie und zieht leicht den Kopf ein.
    Es geht weiterhin nur zentimeterweise voran. Die ersten Leute werden unruhig hinter uns, drängeln und murmeln. Jemand zieht am Hebel seiner Fahrradklingel, andere stimmen ein. Ein Klingelkonzert schallt über die Autobahn. Auf der anderen Seite klatschen die Leute rhythmisch. Langsam rückt auch der Grund für den Stau in Sichtweite: Ein Lkw, aus dem Lebensmittel verkauft werden, verengt die Fahrbahn. Trauben von anstehenden Menschen drängeln sich vor dem Stand.
    «Dat hamse ja super hingekricht», kommentiert Melanie.
    Mein Handy vibriert in meiner Hosentasche. Eine SMS . «Sehr gerne. Ich kann aber erst in zwei Wochen. Halten wir es so lange noch aus?» Björn. Mein Herz macht einen Hüpfer.
    «Hast du mir zugehört?», fragt Katrin.
    «Was?» Ich blicke von meinem Handy auf.
    «Wir trainieren immer mittwochs und freitags in der Halle in Hacheney. Montags gehen wir im Rombergpark laufen. Wenn du magst, kannst du morgen gleich mitkommen.»
    «Laufen?», frage ich leicht hysterisch.
    Katrin lacht. «Du kannst auch erst mal nur zum Hallentraining kommen.» Sie erzählt, dass die Mannschaft in der Landesliga spiele und derzeit 18 Leute habe, davon zwei Torhüter. «Iosif, unser Trainer, kommt eigentlich aus Kasachstan. Ist ein

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