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Da gewöhnze dich dran

Da gewöhnze dich dran

Titel: Da gewöhnze dich dran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Giese
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verwirrrt: «Pantochfeln?»
    Fragend sieht sie vom Karton zu mir, zu Mutter und zurück zum Karton.
    «Hast du dir doch gewünscht, Omma», sage ich gepresst und schaue mit einem stirngerunzelten «Etwa nicht?»-Blick meine Mutter an. Die ist sofort bemüht, die Situation zu retten. Sie reißt eine Pantolette aus dem Karton – das weiße Papier fliegt heraus und gleitet vor Ommas Gehstock zu Boden.
    «Guck mal, Mama, wie schön! Und ganz warm!» Mit einer runden Bewegung streicht Mutter über Filz und Fell und zupft dabei das Preis- und Größen-Schild ab. «Die probierst du gleich mal an, woll?»
    Bevor Unsaomma sich wehren kann, greift Mutter ihren Fuß, zieht ihn zu sich hoch, hebelt ihr den Schuh von der Haxe und stopft ihr die Pantolette auf die Zehen. Vorwurfvoll schaut sie mich, noch über den großmütterlichen Fuß gebeugt, von unten herauf an. «Das ist aber ein bisschen knapp», sagt Mutter.
    Ich nehme Verteidigungshaltung ein. «Das ist 39 , so wie du gesagt hast.»
    «Hast du sie denn nicht anprobiert?» Mutter versucht, die Pantolette weiter auf den Fuß von Unsaomma zu schieben. Doch Ommas Rist ist zu hoch, der Fuß zu mopsig. Unsaomma haut Mutter auf den Arm und jammert: «Lasch dasch!»
    Ich seufze. «Wie soll ich denn die Latschen anprobieren? Ich habe doch gar nicht 39 , sondern 42 .»
    Mutter befühlt die Pantoffeln. «Schön sind sie ja.»
    «Finde ich auch.»
    «Findest du nicht?»
    «Ich sagte: Fin-de ich auch!» Jetzt ist nicht nur Unsaomma schwerhörig, sondern auch meine Mutter.
    «Ach! Nicht.»
    Was meint sie nur?
    Mutter stemmt sich mit beiden Händen die Pantoffeln in die Hüfte. «Redest du nicht mehr mit mir?»
    «Doch. Es ist nur etwas anstrengend.»
    «Dich zu gebären war auch anstrengend.»
    Zum Kuchenessen setzen wir uns auf die Terrasse des Altenheims. Es gibt Birnenkuchen, Nusskuchen und einen Tortenboden von Tante Gertrud. Tante Erika ist ebenfalls eingetroffen, allerdings ohne Backwerk, denn im Backen hat sie bis dato kein Talent gezeigt, weshalb sie bei Feierlichkeiten stets dringlich gebeten wird, andere Dinge als Kuchen mitzubringen. Nach dem Essen holt sie eine Flasche Eierlikör aus ihrem mitgebrachten Einkaufskorb. Sie legt den Kopf schief und winkt herausfordernd mit der Flasche.
    «Likörchen!», zwischert sie mit einer sich leicht überschlagenden, an alte Sketche erinnernden Kopfstimme. «Selbstgemacht!»
    Ein Funkeln erhellt die Augen von Unsaomma, Tante Gertrud klatscht freudig in die Hände. «Hast du denn auch Sekt?», fragt Gertrud, und Erika nickt ein «Selbstverständlich».
    «Für alle, die den Eierlikör gerne als Blonden Engel trinken», sagt sie und reckt eine Flasche Asti in die Höhe. Dann hievt sie ein paar mitgebrachte Gläser auf den Tisch und schenkt Eierlikör ein, den sie schäumend aufgießt.
    «Und du, Mama?», fragt sie Unsaomma. «Den Eierlikör lieber als Blonden Engel mit Sekt oder als Kalten Busen mit Fanta?»
    «Aber Erika!», sagt Mutter vorwurfsvoll. «Diese Wörter. Nicht hier.» Sie sieht sich auf der Terrasse um. Vorne am Geländer sitzt eine alte Frau im Rollstuhl, fünf Meter neben uns spielen zwei Männer Schach.
    «Was denn?», entgegnet Erika und wendet sich an Unsaomma. «Magst du doch auch am liebsten, oder? Kalten Busen? So heißt das halt. Wonnich, Omma?»
    «Bumschen?», fragt Unsaomma und hält sich eine Hand hinters Ohr.
    «Kal-ter Bu-sen!», ruft Erika Unsaomma zu. Die Schachspieler drehen sich zu uns um.
    «Nicht so laut», zischt Mutter.
    «Die Herren haben bestimmt schon mal das Wort ‹Busen› gehört», sagt Erika.
    «Kirschsaft hast du aber nicht, oder?», fragt Gertrud. «Dann könnten wir Unsaomma ein Blutgeschwür machen. Würde hier doch gut passen, so ein kleiner Dekubitus im Glas.»
    «Also bitte!», ruft Mutter erbost und steht von ihrem Plastikstuhl auf. Sie greift die eingeschenkten Gläser und verteilt sie auf dem Tisch. «Hier trinkt jetzt jeder das, was da ist. Keine weitere Diskussion!» Sie stupst Unsaomma an. «Mutter! Sag doch auch mal was!»
    «Proscht», sagt Unsaomma und führt mit zitternden Händen das Sekt-Eierlikör-Gemisch zum Mund, trinkt das Glas in einem Zug aus, leckt sich die Lippen und gibt ein zufriedenes «Aaaah» von sich. «Noch einen.»
    Mein Handy vibriert. SMS von Björn: «nächste woche spielt der bvb wieder. magst du mitkommen ins stadion? mein kumpel ist abgesprungen. kannst seine dauerkarte haben.»
    «Liebend gerne», schreibe ich zurück. «Aber ich bin schon von der

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