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Da gewöhnze dich dran

Da gewöhnze dich dran

Titel: Da gewöhnze dich dran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Giese
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Arbeit aus da.»
    «mist. hätte gerne mit dir im stadion gestanden. hast du heute abend zeit?»
    «Bin bei meiner Oma im Sauerland. Geburtstag. Komme erst spät wieder.»
    «wie spät?»
    «So gegen neun.»
    «ich komme vorbei. bleib tapfer. und grüß deine frau mama.»
    «Jetzt leg doch mal das Ding weg», sagt Mutter. «Unterhalt dich lieber mit uns.»
    «Lass sie doch», sagt Tante Erika. «Sie ist bestimmt verliebt.»
    «Verliebt?», sagt Mutter. «Davon weiß ich nichts.» Und zu mir: «Du bist doch nicht verliebt, oder?»
    Ich werde rot.
    «Ist es jemand von der Arbeit?», fragte Gertrud. «Oder vom Sport?»
    «Weder noch.»
    «Warum weiß ich davon nichts?», fragt Mutter.
    Erika schaltet sich räuspernd ein. «Nun lasst sie doch. Sie muss uns doch nicht alles erzählen.»
    Mutter beginnt, wortlos, mit zusammengekniffenen Lippen, den Tisch abzuräumen. Unsaomma ist wieder eingeschlafen und schnorchelt, leise mit dem verbliebenen Gebiss klackernd, in ihrem Stuhl.
    «Lass meine Tasse mal stehen», sagt Erika zu Mutter. «Ich nehme noch einen.»
    Mutter lässt das Gedeck von Tante Erika etwas zu heftig zurück auf den Tisch fallen. Unsaomma schreckt aus ihrem Nickerchen hoch.
    «Isch schon Schlusch?», nuschelt sie in ihre hohlen Wangen.
    «Nein, Mama. Es ist noch nicht Schluss. Wir räumen nur schon mal zusammen.»
    «Dann isch gut», sagt sie und lässt den Kopf wieder auf die Brust sinken.
    Später, in ihrem Zimmer, als sie wieder in ihrem Sessel sitzt und ihre Füße hochgefahren sind, wackelt sie mit ihrem kleinen, steifen Zeigefinger und deutet auf die gegenüberliegende Wand. Dort hänge ich, sechs Monate alt, und neben mir hängen Prinzessin Victoria und Prinz Daniel, William und Kate. «Da», sagt sie. «Da chfehlt eine. Kannschu schie drucken?»
    «Wen meinst du?»
    «Die von Monaco. Die gabsch nisch in der Zeitschrichft. Die schwimmt. Chfon Achfrika.»
    «Charlène.»
    «Deine Mutter schagt, du kannsch Poschter machen. Mit dem Computer.»
    «Ich kann sie dir ausdrucken, ja. Aus dem Internet.»
    «Machschu, ja?»
    «Schicke ich dir mit der Post.»
    «In Chfarbe, ja?»
    «Auch in Farbe.»
    Sie lehnt sich bequem zurück. «Dann isch gut.»
    Bevor ich nach Hause fahre, packt mir meine Mutter noch Kuchenreste ein. Als sie den halben Nusskuchen in Alufolie wickelt, sagt sie: «Das ist für die netten älteren Herrschaften im Parterre. Als Ausgleich für die Suppe. Sag ihnen einen schönen Gruß von mir.»

    «Schönen Gruß von meiner Mutter», sage ich und halte Schmidtchen den Nusskuchen hin. Er trägt heute eine schwarze Cordhose, Hosenträger und karierte Hauspantoffeln. Ich bemerke, dass seine Hände von wilden, sich gegenseitig stupsenden Altersflecken bedeckt sind.
    «Komm rein, Mädken», sagt er und macht eine einladende Geste. «Hasse schon gegessen?»
    «Ich hatte Kuchen, danke.»
    «Dat is doch watt fürn hohlen Zahn. Setz dich bei uns bei und iss ’n Bütterken mit.»
    Die Wohnzimmereinrichtung ist keine Überraschung: schweres Ecksofa, Eichenschrankwand, Esstischgarnitur. Auf dem Sofatisch stehen eine Wurstplatte, ein Brotkorb und zwei Teller.
    «Stell noch ’n Brettchen bei, Lisbeth», sagt Schmidtchen. «Dat Etteken isst heut bei uns.»
    «Ich kann aber nicht so lange bleiben», sage ich, an Björn denkend. «Ich erwarte noch Besuch.»
    «Doch wohl keinen Herrenbesuch», sagt Schmidtchen und zwinkert mir ungelenk zu. In einer stillen Stunde werde ich ihm sagen, dass sein spitzbübisches Zwinkern wie ein motorischer Tic wirkt – oder nein, vielleicht doch nicht, das hat er nicht verdient, dazu ist er zu drollig.
    Wir setzen uns aufs Sofa, Schmidtchen hockt mit gespreizten Beinen in einem tiefen Polstersessel, beugt sich stöhnend vor und legt mir eine Scheibe Graubrot auf den Teller. «Hier, iss.»
    Er selbst nimmt sich ebenfalls eine Scheibe. «Mit die Liebe», beginnt er, «is dat so ’ne Sache. Dammals, als ich jung war, gab et noch keine Herrenbesuche. Da durfte man sich noch nichtmals zu lange ankucken, da hat dein Vatta dir schon watt hinter de Löffel gehauen.» Mit seiner Messerspitze nimmt er einen dicken Streich gute Butter und schmiert ihn fingerdick auf sein Brot. «Ich hab meine Lisbeth bei eine Tanzveranstaltung kennengelernt, dammals, als ich noch auf Zeche gearbeitet hab.»
    «Lass mal, Rudi», sagt Lisbeth. «Dat hab ich der jungen Dame allet schon erzählt.»
    «Auch, wie ich wochenlang rumgegraben hab?»
    «Auch das.»
    «Weißte, Etteken», er legt eine dicke Scheibe

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