Da haben wir den Glueckssalat
ich arbeite, denke ich trotzig. » Wir wollten dir Bescheid geben, dass wir in sechs Wochen nach New York kommen.«
Meine Mutter plappert vom Nebenanschluss aus dazwischen. » Und wenn du bis dahin keine Arbeit hast, keine richtige Arbeit, nehmen wir dich mit zurück nach Zürich, damit du wieder unter unseren Fittichen bist!«
Dann redet mein Vater erneut. » Wir rufen morgen wieder an. Sorg dafür, dass du wach bist und nüchtern.«
Klick.
Ich drücke auf » löschen«, lege auf und seufze.
Okay, ich weiß, dass Tausende junger Frauen in meinem Alter vollkommen unabhängig sind. Sie würden einfach auf ihre Eltern pfeifen und alle Brücken zu ihnen abbrechen… Aber das möchte ich nicht. Irgendwie habe ich immer noch die Hoffnung, dass diese merkwürdige Entfremdung während der letzten paar Jahre sich vielleicht eines Tages auflösen wird. Schließlich sind dies die einzigen Eltern, die ich habe. Und ich wünsche mir wirklich, dass meine Eltern stolz auf mich sind. Meistens habe ich nämlich den Eindruck, sie können mich gar nicht leiden.
Ich sehe aus dem Fenster, in Gedanken versunken. Plötzlich wirkt die Sonne irgendwie trostlos. Wen will ich hier verarschen? Ich kann keine Karriere machen als gottverdammte Bienenmelkerin. Ich brauche einen Job, einen richtigen Job… und das schnell.
» Heute ist ein ganz besonderer Tag für Glückskinder«, sagt Jonah mit Radiomoderatorenstimme. » Auf dem Brooklyn Flea findet nämlich das Food Truck Festival statt! Und genau dort wirst du, Pia Keller, heute arbeiten! Kennst du schon den Flohmarkt in Brooklyn?«
» Klar!«
Tatsächlich war ich kurz nach meinem Umzug zum ersten Mal dort, mit Angie und Coco im Schlepptau. Der Brooklyn Flea ist eine riesige Ansammlung von Marktständen, an denen alles verkauft wird, von Antiquitäten über Designersachen über Kunst über… nun, es gibt einfach jede Menge Zeug.
Ich zögere kurz. » Moment, was ist ein Food Truck Festival?«
» O Mann, du bist wirklich neu hier, stimmt’s?«, erwidert er. » Food Trucks sind Trucks, die durch die Stadt fahren und– Achtung!– Essen verkaufen.«
» Ach so«, sage ich und werde rot. » So was wie Eiswagen.«
» Äh… na ja, so ähnlich. Viel größer halt«, sagt Jonah und biegt auf einen Parkplatz.
» Kuchenwagen«, sage ich, als wir aussteigen. » Ich glaube, ich habe in SoHo mal einen Kuchenwagen gesehen.«
» Noch größer. Mann, ich krieg Hunger.«
Wir gehen ein Stück die Straße entlang, auf ein Schild mit der Aufschrift » Brooklyn Flea Food Truck Festival« zu. Und jetzt weiß ich, was Jonah mit » größer« meint: Aufgereiht wie riesige bunte Spielzeuge, stehen dort Food Trucks in jeder erdenklichen Art.
» Einfallsreich«, bemerke ich. » Und wie bereiten die das Essen in den Trucks zu?«
» Sie haben Elfen«, antwortet Jonah.
» Ich krieg langsam Hunger«, sage ich und sehe ihn an.
» Nur Geduld, Zuckermaus.«
Die Leute stellen sich bereits geduldig vor den Trucks an, um sich vor einem langen Tag auf dem Markt zu stärken. Wow, in dieser Stadt tun die Leute alles für ein gutes Essen. Diese Trucks müssen richtig Geld scheffeln.
Jonah bleibt vor einem dunkelgrünen Imbisswagen stehen, dessen Seitenwand mit riesengroßen weißen Blockbuchstaben beschriftet ist: BROOKLYN REGIONAL FOOD TRUCK . Das Vordach ist hochgeklappt, daran hängt die Speisekarte, die mit Kreide auf eine Tafel geschrieben wurde.
FRÜHSTÜCK
French Toast mit Ricotta
Rosinenbrot
Bacon mit Spiegelei auf gebuttertem Sauerteigbrot
Buttermilk Donuts
SÄMTLICHE Zutaten sind aus der Region: Fleisch von eigenen Tieren aus Weidehaltung, Gemüse aus biologischem Anbau, Freilandeier!
» Das ist der Truck von Phil, Rays Bruder. Eigentlich ist seine Spezialität Brot, aber auch alles andere ist selbst gemacht, selbst gezogen, selbst geschlachtet oder selbst geräuchert und hier aus der Gegend, aus Brooklyn.«
» Tatsächlich sind die Rosinen aus Kalifornien«, sagt ein rothaariger Mann, der jetzt hinter dem Wagen hervorkommt.
Er ist Anfang dreißig, einer von diesen aggressiv-spöttischen Alteingesessenen mit einem Schnauzbart und einem altmodischen Cowboyhemd. Phil und Jonah schütteln sich die Hände und umarmen sich kurz, dann stellt Jonah mich Phil vor. Phil betreibt eine Biobäckerei und hat den Truck an den Wochenenden zum Spaß.
» Und alle Zutaten stammen direkt aus Brooklyn?«, frage ich skeptisch.
» Brooklyn ist ein fruchtbarer Garten, meine Kleine.« Phil wirft einen Blick in den
Weitere Kostenlose Bücher