Da haben wir den Glueckssalat
waren sehr zufrieden mit mir. Aber dann habe ich vor den anderen meinen Chef korrigiert– eigentlich ist er gar nicht mein Chef, sondern bloß ein leitender Mitarbeiter in unserem Team. Jedenfalls hat er mich angebrüllt, und ich zitiere wortwörtlich: Halt deine blöde Klappe und scher dich zum Teufel.«
Coco und ich keuchen auf. » Ist das dein Ernst?«
» Das ist noch gar nichts«, erwidert sie. » Bei uns herrscht eine unheimlich gereizte Stimmung. Da gilt nur töten oder getötet werden – wie bei den verdammten Hungergames. Das macht mich krank. Ich habe manchmal sogar …«, sie senkt ihre Stimme, » … Durchfall vor lauter Nervosität.«
» Uh«, sage ich.
Julia hat noch nie so offen über ihren Job gesprochen. Die meiste Zeit beschreibt sie ihn als perfekt, auf ihre selbstbewusste Typ-A-Art.
Sie reibt sich nun die Augen wie ein müdes kleines Kind. Das können sich nur Frauen erlauben, die keine Wimperntusche und keinen Eyeliner benutzen. Ich brauche meine Augen bloß leicht zu berühren, schon sehe ich aus wie ein Pandabär.
Jules seufzt. » Ich habe mir das alles ein bisschen anders vorgestellt. Ich dachte eigentlich, ich hätte endlich das Richtige für mich gefunden… aber das war ein Irrtum. Ich werde nie das Richtige finden.«
» Nein?« Ich bin überrascht. Julia macht sonst immer einen so zuversichtlichen Eindruck. Die klassische Spielführerin, so klug und laut und selbstsicher… » Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ich diesen Job die nächsten vierzig Jahre mache.«
Sie sieht plötzlich aus, als könnte sie nur mühsam die Tränen zurückhalten, und ich bekomme unwillkürlich das Bedürfnis, auch sie zu beschützen, koste es, was es wolle. Sie verdient es, glücklich zu sein.
» Vielleicht solltest du nicht gleich vierzig Jahre vorausdenken. Setz dir kurzfristige Ziele«, schlage ich ihr vor, im Bemühen, mit praktischen Tipps zu helfen, so wie sie das für mich tun würde. » Beispielsweise von heute bis Weihnachten.«
» Aber ich bin ein Mensch mit langfristigen Zielen. Mein erstes langfristiges Ziel habe ich erreicht– einen Job in einer Bank. Aber es fühlt sich nicht so an, wie ich erwartet habe.« Sie unterbricht sich kurz, nimmt ihr Tequilaglas und leert es in einem Zug. » Ich… ich… fühle mich nicht wie ich selbst.«
» Vielleicht solltest du es einfach lockerer nehmen und versuchen, den Moment zu genießen«, sage ich. » Das Leben soll doch Spaß machen, oder? Was hat es sonst für einen Sinn?«
» Gesprochen wie eine wahre Lebenskünstlerin«, erwidert sie und rollt mit den Augen.
Autsch. Dabei habe ich in letzter Zeit wirklich hart geschuftet, verdammt.
» Na ja, du musst ja nicht unbedingt in einer Bank arbeiten«, fahre ich fort. » Es gibt noch andere Karrieren auf der Welt.«
» Ja, vielleicht werde ich kündigen und wieder studieren, um den MBA zu machen. Oder ich gehe ein Jahr auf Weltreise oder so«, sagt sie.
» Was?«
Ich bin perplex. Die Vorstellung, dass Julia unsere WG verlässt, kommt mir einfach falsch vor. Und Coco macht ein Gesicht wie ein Kind, das gerade erfahren hat, dass der Weihnachtsmann nicht existiert.
» Du willst mich schon wieder verlassen? Es war schon schlimm genug, als du auf das College gegangen bist.«
» Nein! Natürlich nicht!«, sagt Julia rasch. » Eigentlich ist alles super, wirklich, ich meine, es wird zumindest nie langweilig in meinem Traumjob.« Sie schenkt uns ein strahlendes Lächeln. » Es ist genau das, was ich mir immer gewünscht habe. Ich muss nur das erste Jahr überstehen, dann wird alles viel einfacher. Außerdem ist die Bezahlung top, und als Sahnehäubchen kommt noch ein Bonus obendrauf.« Sie nimmt einen großen Schluck von ihrem Bier, ohne uns anzusehen.
» Ich denke, wir müssen einfach alle unser Bestes geben«, sage ich. » Wir sitzen im selben Boot. Wir stehen alle am Anfang.«
» Lasst uns darauf anstoßen«, erwidert Julia, knallt ihre leere Bierflasche auf den Tisch und holt drei Gläser Tequila von der Theke. » Ich habe übrigens die Kostproben von der Schlampe mitgebracht.«
Wir stoßen an, und ein paar Minuten später haben wir die Hälfte der Auswahl probiert. Die Salate sind nicht besonders gut– wenig inspirierendes Gemüse und welke Blätter–, dafür sind die Kuchen außergewöhnlich.
» Mist, die schmecken fantastisch«, sage ich verzweifelt, während ich von einem Erdnussbutter-Brownie abbeiße.
» Die sind aber weder fettarm noch zuckerreduziert«, sagt Coco, die
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