Da hilft nur noch beten
und als zusätzliche Leiche in den Sarg gelegt haben, wollen uns einen Schuß vor den Bug setzen, damit wir mit unseren Nachforschungen aufhören (Artikel über organisierte Kriminalität in Berlin, Recherchen über Bausumme neues Krematorium). Motiv: Absicherung, Deckung erfolgter Straftaten.
7. (lindgrüner Zettel): Nicht auszuschließen, daß sich Jessica selber ihres Babies entledigt hat und uns nur was vorspielt. Motiv: die Last loszuwerden, völlig frei zu sein im Hinblick auf die große Karriere, auch in Erwartung, überall groß Schlagzeilen zu machen. In ihrem Bekanntenkreis herumfragen, ob es Andeutungen dafür gegeben hat. Die von ihr angegebenen Zeiten und Wege abchecken.
«Das wär’s also fürs erste», sagte Mannhardt, sich wieder aufrichtend. «Mit einer SoKo von vierundzwanzig Beamten haben wir das in einer Woche durchgecheckt.»
«Nun gibt es ja sicher sehr unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten…»
Über die begannen sie nun ausführlich zu diskutieren, bis Mannhardts Konzentration allmählich nachließ und er mitten im Dialog («…keine Polizei, klar, aber ob ich nicht doch einmal bei den alten Kollegen anklopfe und…?») – nach zwei, drei langgezogenen Äh-Lauten – unvermittelt fragte, ob das Riesen-Poster hinten an der Wand, «diese Rinderfarm auf Kuba da», ob die… ob es auf der – «… du weißt schon…!» – passiert sei zwischen Wuthenow und Jessica…?
Corzelius konnte, trotz allem, ein gewisses Grinsen kaum unterdrücken; bestimmte männliche Verhaltensweisen waren halt derart eingeschliffen, daß man sie wie Reflexe hinnehmen mußte, «…direkt dabei war ich nicht. Wie singen sie immer so schön: Zuaschaun moginet…»
«Hättste gerne selber mal…?»
«W. C. wohl kaum, das ist bei uns eher wie ‘n Inzest-Tabu, Bruder-Schwester, ‘s geht einfach nicht richtig, verstehst du. Als sie nach Deutschland gekommen ist, war sie gerade zehn und ich Anfang zwanzig, damals voll auf Gunhild abgefahren. Insofern war es mir auch egal, das heißt, ein bißchen hab ich schon auf ihre Männer gesehen, und diesen Schmachtenhagen fand ich schon zum Kotzen, aber gegen Wuthenow war wenig vorzubringen, als Mensch, mein ich.»
«Du warst mit der SPD da… in Kuba?»
«Ja, eine dieser sogenannten Bildungsreisen. Und Jessi wollte unbedingt mit, weil sie gerade voll auf alles Hispanolische eingeschworen war; offensichtlich ‘ne Folge davon, daß sie in Hamburg in Garcia Lorcas ‹Yerma› ‘ne Rolle kriegen sollte. Ja, wir also beide mit, und gleich am ersten Abend bummeln wir natürlich durch die Altstadt von Havanna, La Habana Vieja, direkt an der Bucht… Por aqui, companeros! Plötzlich – vor dem Revolutionsmuseum, am Standbild des großen Freiheitshelden Maximo Gomez – hören wir deutsche, sächsische Laute. Nu gucke mal da: das Institut für Fragen des Imperialismus, das IFI, die Denkfabrik der SED, zu Gast bei Fidel Catros barbudos. Patria o muerte! Venceremos! Und so weiter. Großartig das alles, die blutsaugerischen Gringos zum Teufel gejagt; doch wir lästern trotzdem. Und am meisten der Top-Genosse Prof. Dr. Friedrich-Wilhelm Wuthenow, woher, aus der Hauptstadt natürlich. Sehr eindrucksvoll. Sieht aus wie James Bond, quatscht klüger daher als weiland Karlchen Marx, spottet gehoben wie Tucholsky, flirtet mit Jessi herum wie Johannes Heesters in den alten Ufa-Klamotten. Wir gehen essen zusammen und lachen uns tot, als er die berühmte ‹Fruta bomba› bestellen will, die kubanische Papaya-Frucht, aber ‹Papaya› sagt – und das bedeutet auf kubanisch nichts weiter als ‹Möse›. Jessi ist ganz hingerissen, Männer wie ihn gibt es selten bei uns, und als wir vom añejo kosten, dem ‹angejährten› Rum, schreit sie nur noch ‹Papaya› und tanzt auf dem Tisch, doch irgendein verklemmter DIAMAT-Jüngling, irgendeiner von Wuthenows Doktoranden oder Assistenten, schleppt seinen Chef ins Freie hinaus, weil noch ein großer Empfang angesagt ist bei Ramon Castro, dem älteren Bruder Fidels. Wir verabschieden uns draußen unter einem Meer von Transparenten: No bajar nunca la guardia! Niemals in der Wachsamkeit nachlassen! Oder: Trabajar mas y mejor con menos gastos! Mehr und besser arbeiten mit weniger Kosten! Und das schönste: Nada es más importante que un nino …»
«…das heißt?»
Corzelius grinste abermals. «Nichts ist wichtiger als ein Kind!»
«Was sie ja dann auch beide sehr schnell beherzigt haben!» lachte Mannhardt.
«Ja, obwohl zunächst alles so
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