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Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz

Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz

Titel: Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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vergessen hatte und eine Ausrede erfinden musste. Rubin genoss das Gefühl, wie man ein Stück seines Lieblingskuchens genießt.
    »Und wer ist das?«, fragte Irmgard und wuschelte Freitag über den Kopf.
    »Das ist der beste Apporteur von Stöckchen in ganz Bad Löwenau«, antwortete Bernstein. Der Golden Retriever spürte, dass von ihm die Rede war, und wedelte zustimmend mit dem Schwanz.
    Irmgard war von schmaler, zierlicher Gestalt und bewegte sich flink und mühelos. Dass sie bereits einundachtzig Jahre alt war, sah man höchstens ihrem von zahllosen Fältchen durchzogenen Gesicht an. Ihre Hände waren gepflegt und leicht gebräunt.
    Ein dunkelroter Lippenstift verlieh ihrem ansonsten schalkhaften Gesicht eine irritierend sinnliche und extravagante Note. Auch ihre Kleidung war elegant, dabei ohne überflüssige Finessen oder Schmuck: Schlicht und zeitlos waren ihr Rock, ihre Bluse, ihre Schuhe; schöne Farben in schönen Formen.
    »Herein mit euch«, sagte sie und eilte voraus. Ihre Stimme hatte selbst bei den unverfänglichsten Worten etwas Oberlehrerhaftes. Sie war laut und tragend, man konnte auch sagen: schrill und krähenartig. Jedoch immer voller Herz und Wärme.
    Sie betraten das große, niedrige Wohnzimmer.
    »Meiner Treu, es ist immer wieder eine Überraschung zu sehen, wie das Inventar deiner Wohnung sich stetig verflüchtigt. Von Besuch zu Besuch verschwinden immer mehr Dinge aus deiner Wohnung«, sagte Bernstein.
    Irmgard lachte, setzte sich schwungvoll hinter ihren Schreibtisch und tippte etwas in die Tastatur ihres Laptops. Ohne aufzusehen, sagte sie:
    »Und von Besuch zu Besuch fühle ich mich freier und unbeschwerter. Nehmt Platz! Ich muss noch schnell etwas abschicken. Bin gleich so weit.«
    Rubin ließ sich auf einem Stuhl vor ihrem Schreibtisch nieder. Freitag kauerte sich zwischen Lehrerin und Schüler.
    Bernstein blieb stehen. »Kein Mensch, den ich kenne, ist so konsequent wie Irmgard«, sagte er. »Sie hat eines merkwürdigen Tages eine erschütternde Entdeckung gemacht. Sie spürte: Hier stimmt etwas nicht in dem Schmuckkästchen meines Lebens. Sie begab sich sogleich auf die Suche nach der Ursache. Und fand sie im Nächstliegenden, wo – unter uns gesagt – die Ursache der meisten Ungemache zu finden ist. Irmgard begriff, dass die Dinge, mit denen sie sich umgab, begonnen hatten, ihr Leben zu beherrschen. Ihre kleine Wohnung war mit der Zeit immer enger geworden. Daraufhin hat sie einen radikalen Schnitt vollzogen. Sie behielt nur noch das, was sie unbedingt brauchte. Sie nennt es ›Konzentration auf das Wesentliche‹.«
    Bernstein schritt auf und ab und schnippte mit den Fingern einen seltsamen Rhythmus. »Daraufhin fing sie an, Kleider zu verschenken, die sie lange nicht getragen hat, ebenso Schuhe. Dann ist sie an ihre Bücher und an ihre Bilder gegangen, an Nippes, Tand und all das, was in unserem Leben belanglos ist und wovon niemand sagen kann, wie es einmal zu uns gekommen ist. Eine ebenso einfache wie effektive Maßnahme. Hut ab!«
    Rubin sah sich um und entdeckte in Irmgards Bücherregal nur drei Bücher und sehr viel leeren Raum. An den Wänden hingen keine Bilder. Nur eine Fotografie ihres verstorbenen Mannes befand sich auf dem Schreibtisch neben dem Wohnzimmerschrank.
    »So, jetzt bin ich wieder ganz bei euch!«, sagte Irmgard.
    »Ich wusste gar nicht, dass du Internet hast«, bemerkte Bernstein.
    »Tja, mein Lieber, ich bin jetzt online!« Irmgard strahlte genüsslich, dann wurde sie ernst. »Also, Christoph, ich weiß, du bist jetzt Leiter der Polizei und bestimmt nicht hier, um einer alten Frau beim Chatten zuzusehen. Unser Carl hat dir bestimmt Wunderdinge von mir erzählt. Wie kann ich dir helfen?«
    »Sie haben …«
    »Du willst mich doch nicht ernsthaft siezen, Christoph, oder?«, unterbrach ihn Irmgard.
    Rubin lächelte. »Also, du hast von hier oben einen prächtigen Ausblick auf den Löwenbrunnen«, sagte er wegen des »du« ein wenig zögerlich. »Hast du gestern Abend gegen dreiundzwanzig Uhr dort etwas Außergewöhnliches bemerkt?«
    Irmgard zog Luft durch die Zähne. »Ich habe gehört, was mit dem armen Serkan geschehen ist – es ist schrecklich! Allerdings muss ich dich enttäuschen, Christoph, ich habe leider nichts Außergewöhnliches bemerkt.«
    Rubin nickte. Bernstein rieb sich enttäuscht das Kinn.
    »Ich muss aber auch zugeben, dass ich nicht mehr so aufmerksam bin wie früher.«
    Aus ihrem Laptop erklang ein heller Glockenton, der die Ankunft

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