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Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz

Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz

Titel: Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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Und in einer Kurstadt am allerbesten.«
    Iris ordnete einige Schachteln Tabletten zu einem schmalen Turm und fragte beiläufig: »Hat der neue Kommissar schon Anhaltspunkte? Darüber bist du doch sicherlich bestens im Bilde.«
    Bernstein schüttelte den Kopf.
    Im nächsten Moment öffnete sich die Tür, und die feuchtkalte Februarluft spülte einen neuen Kunden in die Apotheke: Manfred Raimer, stellvertretender Leiter der Touristinformation und Organisator des Bad Löwenauer Kultursommers. Er machte ein entrüstetes Gesicht, was daran lag, dass er in leichtem Anzug und offenem Hemd über den Marktplatz gehuscht war. Als er Bernstein erblickte, verfinsterte sich seine Miene zusätzlich.
    »Ah, der Kollege von der schreibenden Zunft!«, schnarrte er.
    »Kollege? Bei allen Musen und Grazien, seit wann haben wir eine Kooperation? Habe ich da etwas Entscheidendes verpasst?«
    Raimer sah Bernstein feindselig an, begrüßte Iris Adler übertrieben herzlich und schüttelte sich. Er machte in gespielter Theatralik abfällige Bemerkungen über das Wetter, gerade so, als habe er im Augenblick die alles verändernde Erkenntnis gewonnen, dass es Februar war und eiskalt.
    Raimer hatte graues, schütteres Haar und ein Gesicht ohne Hautfarbe. Er bat Iris Adler um ein Kopfschmerzmittel und sagte unvermittelt, ohne sich zu Bernstein umzuwenden:
    »Ich bin schon gespannt, Herr Bernstein, was morgen in Ihrer Kolumne über die neuesten Ereignisse zu lesen sein wird.«
    »Da geht es Ihnen wie mir, Herr Raimer.«
    »Ich hoffe, der Artikel wird etwas ausgewogener als der von heute Morgen.«
    »Waren Sie nicht amüsiert?«, fragte Bernstein.
    »Es ist eines, sich über einen Stadtrat zu mokieren. Ein anderes, einen gesellschaftlich so prekären Fall wie den Mord an einem Türken in Bad Löwenau differenziert zu behandeln«, sagte Raimer.
    »Reichen Sie eine Wunschliste ein. Ich schreibe eine Extraausgabe für Sie.«
    Iris Adler gab Raimer eine Schachtel Kopfschmerztabletten über den Verkaufstresen und vermied es, die Kontrahenten direkt anzusehen.
    »Sie sollen nicht für mich schreiben«, sagte Raimer humorlos, »sondern für die Stadt! Ich habe heute das Programm für den Kultursommer abgeschlossen. Auch in diesem Jahr sind wir stolz, wieder zahlreiche Künstler von internationaler Reputation für uns gewonnen zu haben.«
    »Sie meinen, bei so viel Globalisierung passt ein Mord an einem Ausländer nicht ins Bild?«
    »Zumindest kein Mord mit rassistischem Hintergrund. Es muss der Öffentlichkeit klargemacht werden, dass Fremdenfeindlichkeit in Bad Löwenau keine Chance hat!«
    »Wie können Sie so sicher sein, dass es einen rassistischen Hintergrund gibt, zumal nicht einmal klar ist, dass es überhaupt Mord war?«
    Raimer holte tief und selbstgefällig Luft. »Sie missverstehen mich, Herr Bernstein. Ich weiß natürlich nicht, wer den Jungen ermordet hat und aus welchen Gründen. Ich spreche hier nur von der Außendarstellung. Es darf unter keinen Umständen und zu keinem Zeitpunkt der Eindruck entstehen, in unserer Stadt könnte es fremdenfeindliche Tendenzen geben.«
    »Das habe ich heute schon einmal gehört. Und wenn es sie doch gibt?«
    Raimer kramte nach seinem Geldbeutel, um die Tabletten zu bezahlen. »Wenn es so etwas geben sollte, dann müssen wir mit dem Thema höchst sensibel umgehen. Stellen Sie sich vor: Wir laden Sänger zu uns ein aus den USA , aus Litauen, aus der Ukraine, aus der Slowakei. Wir haben Weltmusik aus Ghana, aus Haiti, von den Kapverdischen Inseln. Was sollen wir diesen Menschen sagen, wenn sie fragen, was bei uns los ist?«
    Raimers Stimme hatte zunehmend einen feierlichen, ja sakralen Ton angenommen.
    »Die Programme sind bereits gedruckt«, fuhr er fort, »die bundesweiten Pressemitteilungen gehen noch in dieser Woche raus. Es liegen überdies zahlreiche Vorbestellungen vor. Ich will nicht hoffen, dass die positive Resonanz abreißt.«
    »Sie haben fabelhafte Arbeit geleistet«, sagte Bernstein bittersüß. Er wechselte Blicke mit Iris Adler. Raimer hörte nicht auf zu reden. Er hatte Gefallen daran gefunden, vor der Apothekerin die Rolle des engagierten und erfolgreichen Kulturmanagers zu spielen. Schließlich sagte er:
    »Wir tragen alle Verantwortung für unsere Stadt, Herr Bernstein. Vor allem wir Kulturschaffenden!«
    Bernstein schnaufte.
    »Falsch, Herr Raimer! Sie schaffen weder Kultur noch Kunst! Sie verwalten sie lediglich und lassen einmal im Jahr auf Gemeindekosten für sich die Puppen

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