Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz

Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz

Titel: Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
Vom Netzwerk:
Geräusche von sich öffnenden Schranktüren vernahm. Kurze Zeit später stand Hassan wieder neben ihm.
    Rubin nahm den grauen Band zur Kunsttheorie zur Hand. Er wunderte sich immer mehr über Serkan, während er ziellos in dem Buch blätterte, das mit zahllosen Anmerkungen und Unterstreichungen versehen war. Serkan hatte es ernsthaft durchgearbeitet.
    Rubins Blick fiel auf eine Kunstpostkarte in der Mitte des Buches. Sie war offensichtlich nicht als Lesezeichen benutzt worden, denn sie ragte nicht über den oberen Buchrand hinaus. Vielmehr sah es danach aus, als sei sie im Inneren des Buches versteckt worden.
    Die Karte zeigte zwei Engel vor der Silhouette einer nächtlichen Stadt. Es handelte sich um ein Bild von Marc Chagall, in einer Vielzahl von Blautönen. Auf der Rückseite stand in weich geschwungener Schrift etwas auf Türkisch.
    »Was bedeutet das?«, fragte Rubin.
    »Da steht: ›Wenn ein Engel einen Engel trifft, dann weinen die Himmel vor Glück.‹ Aber es ist kein gutes Türkisch, es sind Fehler darin.«
    »Könnten Sie es für mich auf Türkisch lesen?«
    »Wie, Sie verstehen unsere Sprache?«
    »Könnten Sie es für mich lesen?«
    Hassan las die Worte, ohne zu stocken, seine Stimme hatte einen melodischen, fast feierlichen Ausdruck angenommen; und für einen Augenblick konnte Rubin tatsächlich vor seinem geistigen Auge zwei Engel sehen – sehr verliebt und hoffnungslos verloren vor einem Hintergrund in Nachtblau.

18
    In Ricardos Restaurant empfing Rubin ein Duft der Verführung. Knoblauch war darin und Rosmarin, Thymian und Salbei, ebenso wie zerlassene Butter und frisch gebackenes Brot. Scampi und Jakobsmuscheln erinnerten ihn an die Weiten des Meeres an einem Tag mit Wind und ohne Verpflichtungen.
    Auch Freitag war augenblicklich verzaubert, wedelte aufgeregt mit dem Schwanz, hechelte und drehte sich im Kreis.
    »Christophe, da biste du endlich!«, rief Ricardo, als er Rubin zur Begrüßung auf die Schulter klopfte. »Carlo isse schon da und hatta Hunger. Komme mit!«
    Er führte Rubin in den hinteren Teil des Restaurants, wo Bernstein bereits an einem Tisch an der Wand saß. Er tippte rasend auf die Tastatur seines Laptops. Natürlich fehlte ein Glas Rotwein nicht.
    »Habe ich euch heute Tisch gegebe in Ecke«, sagte Ricardo, »weil Carlo musse schreibe, und wenn schreibe musse, habe viele laute Musica …« Er machte eine Bewegung, als wolle er eine Glühbirne in eine imaginäre Fassung in Höhe seines Kopfes drehen. Rubin hörte deutlich die Musik aus Bernsteins Computer. Punk der härtesten Gangart: »Go ahead, set the sky on flames! The world is bad – three, four! You can go and get it all! Right now!«
    Bernstein brauchte das, um seine Gedanken zu schärfen. Ricardo ließ seinen Freund großzügig gewähren, ganz zum Unwillen seiner Frau Caterina. Sie schüttelte entnervt den Kopf und ballte die Fäuste. Ricardo sprach beruhigend auf sie ein.
    »Bella Caterina, so isse Carlo eben! Isse so wie in Fußball: Wenn Spieler brauche Energie, dann Zuschauer musse singe!«
    Er klatschte in die Hände. »Amici, sind jetzt komplett, könne speise!«, rief er. »Wolle Mailänder Schnitzel mit Spaghetti aglio e olio?«
    Ohne sich auch nur den Anschein zu geben, eine Antwort abzuwarten, rief er gut gelaunt: »Alles klare: Mailänder Schnitzel! Subito! Und für Freitag Schälche Aqua und schöne Parmaschinke!«
    Und damit war Ricardo wieder verschwunden.
    Rubin fragte: »Und, Bernstein, hast du schon eine zündende Idee für deine Kolumne?«
    »Hagelsturm und Blitzgewitter! Ich habe tausend zündende Ideen. Ich bin mir nur noch nicht sicher, welche Rakete ich als Erste abschießen soll.«
    Rubin lachte. Ricardo kehrte zurück und kümmerte sich um Freitag, während Bernstein die Musik in seinem Computer abstellte.
    Ricardo seufzte. »Nixe gegen deine Punke, Carlo, aber isse immer schöne, wenn wieder isse stille!«
    Bernstein zuckte mit den Schultern. Er trug an diesem Abend ein weißes Hemd mit Nadelstreifen und eine dunkle, offene Weste. Auf seiner Nasenspitze saß eine silberne Nickelbrille, die er eigentlich nicht brauchte. Bernstein spähte die ganze Zeit darüber hinweg.
    »Und, Freunde, was habe gefunde in schlimme Fall von Serkan?«, fragte Ricardo.
    Bernstein ergriff als Erster das Wort. »Die Fürstin bangt um den Ruf der Stadt, und der Kulturschwätzer Raimer bangt um seinen Kultursommer. Also alles wie immer. Nichts Neues zu berichten.«
    »Das würde ich so nicht behaupten«, entgegnete

Weitere Kostenlose Bücher