Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz
machen?
Fragen über Fragen. Wer kennt die Antworten?
Die polizeiliche Ermittlung leitet unser neuer Kriminalhauptkommissar Christoph Rubin, der nach einem Vierteljahrhundert in seine Heimatstadt zurückgekehrt ist. Willkommen daheim!
Wie ich erfahren konnte, gibt es bereits erste überraschende Erkenntnisse.
Welches Arsenal an Merkwürdigkeiten wird der Tod Serkans noch zutage fördern? Welche Verdächtigen werden aus dem Meer der Unschuld auf - , welche untertauchen?
Ich halte wie immer Augen und Ohren für Sie offen und werde berichten.
Herzlich
Ihr Carl Bernstein
»Hm«, sagte Rubin laut zu sich selbst und kratzte sich am Kopf.
Kaum hatte er die Lektüre des Artikels beendet, klingelte sein Handy. Bürgermeisterin Franziska von Roth war am Apparat. Sie verlangte umgehend ein persönliches Gespräch.
Rubin überlegte genau, dann sagte er: »Ich bin in zehn Minuten bei Ihnen.«
20
Franziska von Roth trug einen tiefblauen Hosenanzug mit weißer Bluse. Sie sprang von ihrem Stuhl hinter dem Schreibtisch auf und eilte Rubin mit ausgestreckter Hand entgegen. In der Mitte des Büros blieb sie abrupt stehen und blickte auf Freitag hinab, gerade so, als ob sie ihn erst jetzt wahrgenommen hätte und unschlüssig sei, wie sie reagieren sollte. War es besser, den Hund zu tätscheln oder ihn einfach zu übersehen?
Freitag nahm ihr die Entscheidung ab. Er tapste auf sie zu. Als er vor ihr stand, legte er allerdings den Kopf schief und widmete sich kurz entschlossen anderen Dingen wie den Reizen einer Stechpalme.
Rubin schüttelte die Hand der Bürgermeisterin. Von Roths Miene war starr und hart. Sie trug auffallend viel Rouge, und ihrem Parfum waren herbe Essenzen beigemischt. Rubin war der Duft nicht angenehm, er legte sich wie Staub auf seine Brust.
»Ich freue mich, endlich persönlich Ihre Bekanntschaft zu machen, Herr Rubin. Leider findet unser Kennenlernen unter den denkbar widrigsten Umständen statt. Wir haben wenig Zeit, machen wir es kurz.«
Sie wies ihm den gepolsterten Besucherstuhl zu, auf dem sich Bernstein tags zuvor so unbequem wie möglich niedergelassen hatte. Rubin ließ sich vorsichtig auf das weiche Polster sinken. Freitag legte sich neben ihm ab.
Von Roth schleuderte unvermittelt die Seite vier des Bad Löwenauer Anzeigers auf die Tischplatte.
»Herr Rubin, mit Verlaub, das ist eine Frechheit, wie ich sie selten erlebt habe! Ein Skandal ist das, eine Verleumdung! Unsere Stadt durchläuft eine ihrer schlimmsten Prüfungen, und was macht Ihr Freund Bernstein? Er sticht sein Messer noch mal tief in die Wunde!«
Rubin beobachtete die Bürgermeisterin genau. Die Wut entstellte ihre Gesichtszüge, und ihre Augen strahlten reine Kälte aus.
»Das sind Bernsteins Worte«, sagte Rubin.
»Ja, ja, glauben Sie nicht, ich wäre nicht im Bilde. Ich weiß, dass Sie beide Schulfreunde sind. Das erklärt vielleicht so manches, zum Beispiel, warum ein Journalist bei den polizeilichen Ermittlungen mitmischen darf. Und das ist ja gerade, was mich beschäftigt. Was in dieser Kolumne ist Carl Bernstein und was sind Sie, Herr Hauptkommissar?«
Je aufgeregter von Roth wurde, desto ruhiger wurde Rubin. Mit präziser Aufmerksamkeit verfolgte er jede ihrer Bewegungen und Gesten.
»Sie sehen ja, wie schnell es gehen kann. Unsere Kurgäste sind verschreckt, der Löwenbrunnen steht ungenutzt da, die Stadt ist praktisch lahmgelegt. Was wir jetzt am nötigsten brauchen, das ist ein schneller Ermittlungserfolg, keine wilden Spekulationen. Wenn die Gäste wissen, dass in Bad Löwenau wieder alles im Lot ist, dann trauen sie sich auch wieder ans Heilwasser. Und mit dem Heilwasser kommt wieder Leben in unsere Stadt.«
Rubin sah, wie ihre Halsschlagader anschwoll.
Was sollte er sagen? Sollte er sich rechtfertigen? Sollte er erklären, warum er tat, was er tat? Oder besser, sollte er den Versuch unternehmen, Bernsteins Handlungsweise zu erklären? Das war unmöglich. Er verstand Bernstein ja selbst nicht immer. Und das hatte er auch früher nicht getan, wenn Bernsteins Einfälle die Phantasie zum Tanzen gebracht hatten.
Rubin sah von Roth eindringlich an und sagte – nichts.
Nach einer Pause fuhr sie deutlich nüchterner und gefasster fort.
»Herr Rubin, ich bin ja kein Unmensch. Das Schicksal des jungen Mannes geht auch mir zu Herzen. Sehr sogar. Aber ich muss die Interessen der Stadt vertreten. Unser ausgezeichneter Ruf muss gewahrt bleiben. Das ist meine Aufgabe. Das ist unser aller Aufgabe!«
Wieder sah Rubin
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