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Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz

Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz

Titel: Da liegt ein Toter im Brunnen - ein Krimi mitten aus der Provinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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beim Bad Löwenauer Anzeiger beschäftigt war, beobachtete ihn von ihrem Schreibtischstuhl aus. Sie waren allein im einzigen Großraumbüro der Redaktion.
    Ayse hatte schulterlanges, fein gelocktes schwarzes Haar. Sie trug eine Lederjacke, eine weiße Bluse und verwaschene Jeans.
    »Ich dachte eben, Sulzbach wollte dir den Kopf abreißen«, sagte sie und lachte.
    »Auch das ist ein Teil des Spiels«, antwortete Bernstein, »sein allerliebster Part.«
    Wenige Minuten zuvor war eine eilig einberufene Redaktionssitzung lautstark zu Ende gegangen. Helmut Sulzbach, Verleger, Chefredakteur und Geschäftsführer des Bad Löwenauer Anzeigers, hatte sie angesichts der sich – wie er sich ausdrückte – »dramatisch entwickelnden Ereignisse« einberufen.
    Er hatte die letzten Informationen vorgelegt:
    Das Hotel am Marktplatz meldete vier Stornierungen und drei vorzeitige Abreisen.
    Die Touristikinformation vermeldete die Rückgabe von drei Dauerkarten für den Kultursommer.
    Die Bürgermeisterin hatte eine Sondersitzung des Stadtrates anberaumt.
    »Das geht alles auf dein Konto, Carl!«, hatte Sulzbach gedonnert.
    »Nur zu, ich habe reichlich Kredit«, hatte Bernstein geantwortet.
    Der Rest der Sitzung hatte in sinnlosem Gebrüll geendet.
    »Pass auf, Carl!«, hatte Sulzbach zum Schluss gedroht. »Pass auf, überspann diesmal den Bogen nicht. Du kriegst keinen Freifahrtschein von mir. Noch ein falsches Wort und du fliegst.«
    »Hast du keine Angst, dass er seine Drohung wahr macht?«, fragte Ayse.
    »Ich sagte es ja: So ist das Spiel. Ich schreibe, er brüllt; ich schreibe weiter, er brüllt. So geht es bis in alle Ewigkeit.«
    »Wieso bist du da so sicher?«
    »Das ist ganz einfach, mein Täubchen: Er braucht mich. Ohne meine Kolumne sinkt seine Auflage. Also muss er das hinnehmen, was er im Grunde verabscheut.«
    »Ist es wirklich so?«
    Bernstein lachte auf. »Sulzbach hat es vor Jahren einmal drauf ankommen lassen. Er hat mich gefeuert wegen eines läppischen Artikels über den Vorsitzenden des Gesangsvereins, den ich als ›Troubadix im Stimmbruch‹ tituliert hatte. Er sah aus wie Pavarotti für Arme und war im Hauptberuf Abteilungsleiter der Sparkasse. Er hat Sulzbach gedroht, die Kredite zu streichen, wenn ich weiter meine Kolumne schreibe. Da hat Sulzbach nachgegeben und mich vor die Tür gesetzt.«
    »Und was hast du gemacht?«
    »Ich habe natürlich weitergeschrieben. Ich lasse mir den ›Tag in Bad Löwenau‹ doch nicht von solchen Nebensächlichkeiten vergällen.«
    »Und wo hast du deine Texte veröffentlicht?«
    »Es gibt viele Möglichkeiten für eine flinke Feder.«
    »Warum hat er dich wieder eingestellt?«
    »Warum? Ist die Frage ernst gemeint? Die Auflage ist gesunken! Ein Hofstaat ohne Hofnarr ist eine traurige Veranstaltung. Ich habe eine gehörige Gehaltserhöhung verlangt und war wieder mit von der Partie.«
    Ayse lachte. »Ich kann mir gut vorstellen, wie schwer Sulzbach das gefallen ist.«
    »Es war sein doppeltes Waterloo. Seither verwandelt er sich an jedem Morgen, an dem meine Kolumne erscheint, in Napoleon und Wellington zugleich, in einen stolzen Verlierer und einen einsamen Sieger. Das Erscheinen meiner Texte ist der Moment seiner größten Niederlage und seines größten Triumphs zugleich. Das ist das Spiel. Er hasst es. Ich genieße es in vollen Zügen. Fast so sehr wie die Reize der Schönheit in Form atemberaubender Frauen mit pechschwarzem Haar.«
    Ayse tat so, als habe sie seine letzten Worte überhört. »Aber andererseits bist du auch von ihm abhängig, finanziell, meine ich.«
    »Richtig. Er zahlt, ich bin Gehaltsempfänger. Sulzbach ist der Herr meiner Finanzen, ich bin der Knecht des Geldes. Gleichzeitig bin ich aber durch meine Kunst Herr seiner Zeitung, und er ist Knecht meiner Feder.«
    »Aber es steht nicht ganz fünfzig-fünfzig zwischen euch.«
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Du nutzt deine Position schamlos aus.«
    »Meiner Treu, das sollte jeder tun, der eine gewisse Position hat. Es kommt immer nur auf die Zwecke an, für die man seine Vorteile nutzt.«
    Ayse sah Bernstein an und rückte auf ihrem Stuhl hin und her.
    »Was ich dir übrigens noch sagen wollte, Carl«, ihre Stimme war sanft, »mir hat deine Kolumne von heute sehr gut gefallen.«
    Bernstein deutete eine Verbeugung an. »Ein Lob von den Lippen einer bezaubernden Schönheit ist wie ein Strahl gleißenden Lichtes direkt aus dem Paradies.«
    Ayse konnte nicht verhindern, dass sie errötete. Mit einem Lächeln

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