… da war'n es nur noch drei - Disconnected ; 1
Schluchzen leiser, dann ist es lange still. Nur die Musik wummert in der Ferne und erinnert uns daran, dass irgendwo in einer anderen Galaxie eine Party stattfindet.
„Warum bist du bloß so ein Arschloch?“
Plötzlich dreht Jonathan sich um und entdeckt mich. Er muss sich denken, dass ich sie belauscht habe, aber es macht mir nichts aus, entdeckt zu werden. Nicht ich bin hier der perverse Idiot, sondern er, schließlich steht er mir gegenüber und hat gerade mit dem tollsten Mädchen der Welt Schluss gemacht. Ausnahmsweise trägt er heute nicht seine grüne Armeejacke, sondern nur ein blaues Sweatshirt. Der rechte Ärmel ist oben am Arm zerrissen, und ich denke absurderweise, dass er für eine Septembernacht viel zu dünn angezogen ist. Als wäre es mir nicht völlig egal, ob dieser Idiot friert oder nicht.
„Mateus?“ Liv sieht mich verwundert an, scheint über meine Einmischung aber nicht wütend zu sein. Das überzeugt mich nur noch mehr davon, dass ich das Richtige tue, denn ich tue esja ihr zuliebe. Jonathan habe ich längst aufgegeben, aber er soll wenigstens Liv nicht so behandeln.
„Das hier geht dich absolut nichts an“, sagt Jonathan und zeigt auf mich.
„Nee, wahrscheinlich nicht. Aber das macht dein Verhalten nicht weniger lächerlich.“
Ich schubse ihn. Wir haben uns noch nie geprügelt. Nicht mal zum Spaß.
Ich werfe mich auf ihn, obwohl ich überzeugt davon bin, dass Jonathan kurzen Prozess machen wird, denn er ist größer und schwerer als ich. Doch bevor ich zu Boden gehe, kann ich ja wenigstens noch ein paar Schläge austeilen. Ich ziele auf den Bauch, während Jonathan versucht, mich wegzuschubsen. Liv schreit, dass wir aufhören sollen, was mich erst recht anspornt. Liv, hier kommt dein Ritter, der bereit ist, den Schurken zu besiegen. Oder ihm wenigstens Schmerz zuzufügen. Jonathan verpasst mir einen harten, flachen Schlag auf den Hals. Das Schwein. Aber gut, wenn Handkantenschläge zählen, dann tun es Tritte in den Schritt auch, also drehe ich mich zur Seite und ziele mit einem Karatetritt auf seine Eier. Jonathan weicht aus und schubst mich erneut. Ich kollidiere mit Liv, taumle im Kreis und schicke eine völlig ziellose Faust in die Luft. Ganz zufällig erwische ich Jonathans Arm direkt bei dem Loch im Sweatshirt. Ich treffe ihn nicht besonders hart, aber er jault dennoch laut vor Schmerz auf und fasst sich mit der anderen Hand an die Schulter.
Damit endet der amateurhafte Boxkampf. Jonathan lehnt sich gegen die Wand, noch immer mit der Hand an der Schulter. Er lässt uns nicht aus dem Blick.
An meiner Hand klebt Blut. Jonathans Blut.
Er ahnt meine Frage voraus, bevor ich sie überhaupt gestellthabe. „Ich bin auf dem Weg hierher mit dem Rad gestürzt und gegen einen rostigen Zaun gefallen. Da war so eine Eisenspitze, die hat sich direkt in meine Schulter gebohrt.“
„Du musst dich bei Liv entschuldigen.“
„Mateus, es ist egal“, sagt Liv. „Lass ihn einfach gehen.“
„Erst muss er mir eine Frage beantworten. Wer ist Jacob A A?“
Jonathan erstarrt. „Von wem hast du den Namen?“
„Das ist doch egal. Du sollst mir nur erzählen, wer dieser Jacob ist. Jacob Andersen? Oder vielleicht ein Name mit Aa? Jacob Aaberg? Aalbæk?!“
„Woher kennst du den Namen?“
„Wer zum Teufel ist Jacob?“
„Vergiss diesen Namen schnell wieder!“
„Ist er dein Dealer? Kennt er auch Borste und Afro?“
Mit einem Satz ist Jonathan bei mir. Er packt mich am Kragen, aber nur mit dem gesunden Arm. Und in seinem Gesicht ist nicht die Spur einer Drohung zu erkennen. Nur Angst. „Ich habe gesagt, du sollst diesen Namen vergessen.“
„Und warum?“
„Weil sie sonst auch hinter dir her sein werden.“
„Wer?“
Jonathan lässt mich los und geht rückwärts. Einen kurzen Moment sieht er Liv an, dann dreht er sich um und rennt den Gang hinunter. Da bricht es aus mir heraus. Ich brülle mit der vollen Kraft meiner Lungen, ich hasse ihn so sehr dafür, dass er nicht mehr mein Freund ist. „Ich will dich nie wieder sehen! Fahr zur Hölle! Verstehst du?!“
Jonathans Schritte verschwinden die Treppe hinab und das Echo meiner Rufe verebbt, dann ist nur noch die Musik zu hören, die im Takt meines wunden Herzens dröhnt.
Liv rüttelt an allen verschlossenen Türen. Ich rufe ihren Namen, aber sie hört mich nicht, oder es ist ihr egal. Als ich sie fast eingeholt habe, entdeckt sie eine offene Tür am Ende des Gangs. Es ist eine Art Lager, nicht mehr als zehn Quadratmeter
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