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… da war'n es nur noch drei - Disconnected ; 1

… da war'n es nur noch drei - Disconnected ; 1

Titel: … da war'n es nur noch drei - Disconnected ; 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franckh-Kosmos-Verlags-GmbH und Co. <Stuttgart>
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entschieden, vor allem zu flüchten und für verfickte drei Jahre nach Afrika zu gehen.
    Das ist wohl das erste Mal, dass ich meine Mutter „verfickt“ sagen höre.
    Da zischt mein Vater, dass er doch jetzt zu Hause sei. Er würde diese Ehe gerne retten und kämpfen, könne es aber nicht alleine tun. Was also wolle sie?
    Meine Mutter schreit, sie wisse es nicht, und er solle damit aufhören, sie unter Druck zu setzen.
    Das ist der Moment, in dem sie mich in der Wohnzimmertür entdecken.
    „Bist du in diesen Johannes von deiner Arbeit verknallt?“
    Meine Mutter wird so weiß wie die Wand hinter ihr. „Von wem redest du?“
    „Johannes Boye Lindhardt“, sage ich langsam. „Wohnt in der Store Kongensgade. Er ist Arzt, und ihr habt seit ein paar Monaten was am Laufen. Bist du in ihn verknallt?“
    Meine Mutter öffnet ihren Mund und schließt ihn wieder, aber es dringt kein Ton heraus.
    Ich sehe zu meinem Vater hinüber. „Und diese Lina von Ärzte ohne Grenzen . Bist du in die verknallt?“
    Mein Vater antwortet auch nichts, sondern starrt nur schweigend zu Boden, vielleicht schämt er sich, vielleicht ist er wütend. Mir ist es vor allem egal. „Ihr müsst euch doch nur entscheiden. Wollt ihr den einen oder den anderen? So kompliziert ist es doch nicht. Also reißt euch mal zusammen.“
    Ich versuche, mich an ihnen vorbeizuzwängen, aber meine Mutter hält mich fest. Ich reiße mich los. „Jonathan ist verschwunden!“
    „Er ist was? Seit wann?“
    „Seit letztem Freitag hat ihn niemand mehr gesehen! Vielleicht ist er tot! Und ihr steht hier und streitet euch über eure lächerlichen Problemchen.“
    „Mateus ...“
    „Ihr könnt mich mal!“
    Ich renne die Treppen rauf und schließe mich ein. Ich will gar nicht flennen. Es ist mein Körper, in den nichts mehr hineingeht, und deshalb läuft er über und über und über ...

Eine Woche später habe ich das Gefühl, in jeder Straße Kopenhagens gewesen zu sein. Wir haben überall Zettel mit der Suchmeldung von Jonathan aufgehängt, in jeder Straße, an jeden Laternenpfahl. Wir waren in tausend Hinterhöfen und haben eine Million Fahrradschuppen und Container abgesucht. Wir sind am Hafen und an den Seen entlang patrouilliert und haben nach einem Körper im Wasser Ausschau gehalten. Wenn ich abends vor Erschöpfung die Augen schließe, sehe ich die Suchmeldung mit dem Schwarz-Weiß-Foto von Jonathan vor mir. Wenn ich aufwache, schalte ich als Erstes das Radio ein, um zu hören, ob es Neuigkeiten gibt. Nachmittags heißt es dann wieder, sich aufs Fahrrad schwingen und mit den Zetteln und dem Klebeband los, in neue Gegenden. Jeden Tag schicke ich Ikarus mindestens drei Nachrichten: Hast du ihn gesehen? Wer bist du? Weißt du etwas? Sag doch bitte, wer du bist!
    Keine Antwort.
    Liv schleicht in der Schule rum wie ein Zombie und will noch immer nicht mit mir reden. Nick bekommen wir nicht oft zu sehen. Tagsüber schläft er, abends und nachts streift er endlos durch die Stadt. Er hält auf der Straße die Leute an, zeigt ihnen das Bild von Jonathan und fragt, ob sie ihn gesehen haben. Fünf Nächte hintereinander steht er in der Gegend, wo unser Gymnasium liegt, und fragt Passanten, ob sie auch am letzten Freitag hier waren und in diesem Fall vielleicht Jonathan gesehen hätten.
    Allmählich ertappe ich mich dabei, nicht länger daran zu glauben, dass unsere Zettel und unsere Suche etwas bringen. Ich glaube nicht, dass wir ihn finden. Nicht lebend.
    Samstag. Eine Woche und ein Tag nach Jonathans Verschwinden. Ich habe aufgehört zu weinen. Über ihn, eigentlich über alles. Mit trockenen Augen sehe ich dabei zu, wie mein Vater ein paar Möbel und Umzugskartons zu einem Lieferwagen trägt. Er zieht vorübergehend zu Freunden. Als der Umzugswagen gepackt ist, verabschiedet er sich zivilisiert von meiner Mutter. Ein paar Stunden später gehe ich ins Wohnzimmer hinunter, um die erste der vielen abendlichen Nachrichtensendungen zu gucken. Als die Meldungen aus dem Ausland kommen, frage ich meine Mutter, was jetzt aus ihr und meinem Vater wird.
    „Das weiß ich nicht. Vielleicht können wir es irgendwie wieder hinbiegen.“
    „Heißt das, ihr lasst euch nicht scheiden?“
    „Das wissen wir noch nicht.“
    „Triffst du dich noch mit diesem Johannes?“
    „Nein. Das ist aus.“
    Gut. Meine Mutter sieht mich an, und ich merke, dass sie gerne noch mehr reden würde. „Mateus, vielleicht sollten ...“
    „Sagt einfach Bescheid, wenn ihr rausgefunden habt, was ihr

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