… da war'n es nur noch drei - Disconnected ; 1
Jacke?“
„Das weiß ich nicht.“
Der eine Polizist – der mit den vielen Fragen – zögert einen kurzen Augenblick und sieht dann auf seinen Block. „Wart ihr zerstritten?“
„Jonathan und ich?“
Er nickt. Vielleicht gehen sie bei ihren Ermittlungen von der Theorie eines Eifersuchtsdramas aus, infolge dessen ich Jonathan ermordet habe.
„Es ist eher so, dass wir schon den ganzen Sommer nicht richtig klarkamen. Er hat sich in letzter Zeit irgendwie von allen isoliert. Aber das liegt vielleicht auch daran, dass er eine Freundin hat.“
Der Polizist nickt. Das weiß er bereits von Liv. Aber es scheintnicht so, als hätte sie ihm von unserer kleinen Episode am Freitag erzählt. Zum Glück. Ich habe keine große Lust, weiter in dieser Wunde zu stochern.
In einem kurzen, absurden Moment denke ich, dass sie ihn umgebracht haben könnte. Wer nicht zum Training kommt, fliegt aus dem Verein, und wer keine Lust mehr hat, mit ihr zusammen zu sein, wird vor einen Zug geworfen ...
Reiß dich zusammen, Mateus! „Ihr habt euch während der Party gestritten. Und sogar geprügelt ...?“
„Das war aber nichts Ernstes.“
„Und er hatte gerade mit seiner Freundin Schluss gemacht. War er sehr aufgewühlt, als er von euch wegging?“
„Er hatte auf jeden Fall Angst.“
Ich erzähle ihnen von Jacob A A. Ich halte Ikarus aus der Geschichte raus und sage nur, dass Jonathan am Freitag einen Typen namens Jacob erwähnte, vor dem er Angst hatte. Sie bohren weiter danach, wer dieser Jacob ist, aber ich kann ihnen nicht mehr erzählen, als ich selbst weiß. Schließlich geben sie auf und bitten mich, mich bei ihnen zu melden, falls mir noch etwas einfällt oder irgendwas sein sollte.
Als Nick eine halbe Stunde später von seiner Befragung zurückkehrt, gehen wir runter in die Kantine. Sobald wir aus der Reichweite der anderen sind, springt er mir fast an die Kehle. „Warum hast du gelogen, verdammte Kacke?“
„Gelogen?“
„Du hast am Freitag behauptet, dass Jonathan nicht auf der Party ist. Dabei hast du ihn doch gesehen!“
„Ja, aber in dem Moment hatte ich keine Lust, darüber zu reden, weil Liv auf mich gewartet hat.“
Nick murrt vor sich hin, akzeptiert meine Erklärung dann aber doch. Ich hole mir einen Kaffee und Nick einen Tee, unddann sitzen wir eine Weile schweigend da und beobachten die anderen Schüler dabei, wie sie nach Hause gehen. Ich erzähle vom Freitag, von Jonathans Streit mit Liv, von der Prügelei mit mir, seinen angsterfüllten Augen und der Warnung, Jacob A A zu vergessen.
Nick zerknautscht seinen Plastikbecher. „Glaubst du, dass er es getan hat?“, fragt er.
„Was?“
„Selbstmord begangen?“
„Nein. Er sitzt irgendwo und versteckt sich. Und wenn nicht, dann ...“
„Dann was?“
„Dann haben ihm andere etwas angetan.“
„So was darfst du nicht sagen.“
„Er leidet schon den ganzen Sommer unter Verfolgungswahn, und dann wurde er zusammengeschlagen!“
„Jonathan ist aber doch nicht ermordet worden oder so was!“
„Na gut. Dann einigen wir uns darauf.“
Wir gehen zum Ausgang. Erst als wir draußen bei den Fahrrädern sind, fragt Nick, ob ich den Bullen etwas von Borste und Afro erzählt hätte. Ich schüttle den Kopf, und Nick sieht zufrieden aus.
„Er taucht schon wieder auf. Wenn nicht heute, dann in ein paar Tagen. Meinst du nicht?“
Darauf antworte ich nicht. Tatsächlich traue ich mich gar nicht, den Mund aufzumachen vor lauter Angst, was dabei herauskommen könnte. Mein ganzer Körper ist von einem dumpfen Schmerz befallen, der droht, die Oberhand zu gewinnen.
Dass er zur Hölle fahren soll – das war das Letzte, was ich zu Jonathan gesagt habe.
Am Abend bringen die Radionachrichten eine Suchmeldung. Ich sitze im Wohnzimmer, während es langsam dunkel wird, und tue nichts anderes, als mir die gleiche Suchmeldung auch um 17, 18 und 19 Uhr anzuhören.
Der 17-jährige Jonathan Meyer-Vinding ...
... wurde zuletzt am Freitagabend gesehen ...
Ein Meter Vierundneunzig groß, hellblonde, kurze Haare ...
Als es fast acht ist, kommen meine Eltern heim. Weil alles dunkel ist, denken sie, ich wäre nicht zu Hause. Meine Mutter ist rasend wegen dieser Lina. Mein Vater sagt, dass über ihn wenigstens nicht im gesamten Kopenhagener Gesundheitswesen Gerüchte im Umlauf seien. Offenbar gäbe es da doch ein paar Dinge, die er sich nicht allein zu Schulden habe kommen lassen! Meine Mutter sagt, das sei gelogen, denn schließlich hätte nicht sie sich dafür
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