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Daddy Langbein

Daddy Langbein

Titel: Daddy Langbein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Webster
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solche Beziehung. Ich tue gern so, als gehörtest Du zu mir, nur um mit der Idee zu spielen, aber ich weiß natürlich, daß es nicht so ist. Ich bin in Wirklichkeit allein — mit dem Rücken gegen die Wand im Kampf mit der Welt — und es wird mir angstvoll zumut, wenn ich daran denke. Ich schiebe es von mir weg und spiele weiter als ob; aber verstehst Du nicht, Daddy? Ich kann nicht mehr Geld annehmen als ich muß, denn eines Tages will ich anfangen, es zurückzuzahlen, und selbst ein so großer Autor, wie ich einer zu sein gedenke, wird nicht fähig sein, eine ganz riesenhafte Schuld zu bezahlen.
    Ich hätte liebend gern hübsche Hüte und Sachen, aber ich darf, um sie zu bezahlen, nicht die Zukunft belasten.
    Du wirst mir doch verzeihen, daß ich so ungezogen war? Ich habe eine schreckliche Gewohnheit, impulsiv hinzuschreiben, was ich im ersten Augenblick denke, und dann den Brief unwiederbringlich einzuwerfen. Aber wenn ich auch manchmal gedankenlos und undankbar scheine, so meine ich es doch nie so. In meinem Herzen danke ich Dir immer für das Leben und die Freiheit und die Unabhängigkeit, die Du mir gegeben hast. Meine Kindheit war nichts als eine lange störrische Zeit der Auflehnung, und jetzt bin ich jede Sekunde so glücklich, daß ich es nicht für wahr halten kann. Ich habe das Gefühl, eine erfundene Heldin in einem Geschichtsbuch zu sein.
    Es ist viertel nach zwei Uhr. Ich werde mich jetzt hinausschleichen und diesen Brief einwerfen. Du wirst ihn mit der nächsten Post nach dem anderen bekommen; und so wirst Du nicht sehr lange Zeit haben, schlecht von mir zu denken.
    Gute Nacht, Daddy.
    Ich habe Dich immer lieb
    Judy.

4. Mai.

    Lieber Daddy-Langbein!

    Letzten Samstag war der Tag des Sports. Es war eine sehr eindrucksvolle Angelegenheit. Zuerst hatten wir eine Parade der Klassen, alle in weißem Leinen; die Senioren trugen blau und goldene japanische Schirme und die Junioren weiß und gelbe Banner. Unsere Klasse hatte rote Luftballons — sehr verführerisch, besonders da sie sich dauernd losmachten und davonschwebten — und die Freshmen trugen Hüte aus grünem Seidenpapier mit langen Bändern. Außerdem hatten wir, von der Stadt gemietet, eine Kapelle in blauen Uniformen. Außerdem ungefähr ein Dutzend Komiker, wie Clowns in einem Zirkus, um die Zuschauer zwischen den einzelnen Nummern zu unterhalten.
    Julia war als dicker Landmann verkleidet, mit einem Staubmantel und Schnurrbart und bauchigem Regenschirm. Patsy Moriarty (in Wirklichkeit: Patricia. Hast Du schon einmal so einen Namen gehört? Mrs. Lippett hätte das nicht übertreffen können), die groß und dünn ist, war Julias Frau in einer lächerlichen grünen Haube über einem Ohr. Wellen des 'Gelächters folgten ihnen das ganze Feld entlang. Julia spielte ihre Rolle ausgezeichnet. Ich hätte nie geahnt, daß ein Pendleton so viel Komödiengeist entwickeln könnte, — wobei ich Master Jervie um Verzeihung bitte. Ich betrachte ihn ebensowenig als echten Pendleton wie Dich als echten Aufsichtsrat.
    Sallie und ich machten die Parade nicht mit, weil wir an den Vorführungen teilnahmen. Und was meinst Du wohl? Wir haben beide gesiegt. Wenigstens in einer Sache. Wir versuchten es in Weitsprung und verloren; aber Sallie gewann das Stabspringen (sieben Fuß, drei Zoll) und ich das Fünzig-Meter-Rennen (acht Sekunden).

    Ich war zum Schluß einigermaßen außer Atem, aber es war sehr lustig, als die ganze Klasse die Luftballons schwenkte und Beifall toste und brüllte:
    Was fehlt Judy Abbott?
    Sie ist in Ordnung.
    Wer ist in Ordnung?
    Judy Abbott.
    Das ist der wahre Ruhm, Daddy. Dann ins Ankleidezelt zurücklaufen und mit Alkohol massiert werden und eine Zitrone aussaugen. Du siehst, wir sind ganz professionell. Es ist eine feine Sache,
    einen Punkt für seine Klasse zu gewinnen; denn die Klasse, die am meisten Punkte hat, bekommt für das Jahr den Sportpokal. Die Senioren haben ihn diesmal gewonnen, mit sieben Punkten zu ihren Gunsten. Die Sportvereinigung gab allen Siegern in der Turnhalle ein Essen. Es gab gebackene Krebse und Schokoladeeis, das die Form von Basketbällen hatte.
    Ich bin die halbe Nacht aufgesessen und habe „Jane Eyre“ gelesen. Bist Du so alt, Daddy, daß Du Dich noch an die Zeit vor sechzig Jahren erinnern kannst? Haben die Leute damals wirklich so geredet?
    Die hochfahrende Lady Blanche sagt dem Bedienten: „Halt ein mit dem Schwätzen, Bursche, und tue mein Gebot“. Mr. Rochester spricht vom metallenen Firmament,

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