Daddy Uncool
war verrückt genug, ohne dass Caitlin das hier erfahren hatte. Gut, wenn es eine andere Möglichkeit gegeben hätte, hätte ihre Mutter sie wohl ergriffen. Ich begann, den Brief wieder zu falten, um ihn in das Tagebuch zurückzustecken.
»Was machst du da?«
Die Stimme klang gedämpft und emotionslos.
Ich drehte mich um und sah Caitlin in der Türöffnung stehen. Sie umklammerte eine Plastiktüte von Top Shop.
»Ich wollte gerade …«, begann ich, um ihr irgendeine Lüge zu erzählen und mich schnell aus der Situation zu retten.
Erwischt.
Sie sah mich an. Ihr Gesicht war zornig, und der Ausdruck in ihren Augen zeigte, wie verletzt sie wegen des Vertrauensbruchs war. Aber ich bemerkte auch, dass ihr Blick meine eigene Verletzung widerspiegelte. Ich sah weg, wartete auf die verächtlichen Worte, die auf mich herabregnen würden. Aber es kamen keine. Ich sah sie wieder an. Sie hatte entschieden, dass ich es nicht wert war, angeschrien zu werden.
Nicht nur, dass ich nur der letzte Ausweg war, ich war auch noch ein letzter Ausweg, dem man nicht vertrauen konnte. Ich war der Ehemann, von dem die halbe Stadt wusste, dass seine Frau ihn mit einem Arschloch betrogen hatte. Ich war der Mann, dessen Exfreundin ihn als Notlösung für ein furchtbares Problem ansah. Ich war der Mann, dessen unbekannte Tochter vor seiner Mittelmäßigkeit gewarnt worden war.
An diesem Abend kochte ich und servierte das Abendessen zur üblichen Zeit, um 19.00 Uhr. Ich hatte Caitlin zwei Nachrichten an diesem Nachmittag gemailt. Das erste Mal ein paar Stunden, nachdem sie aus dem Haus gestürmt war. Die Botschaft war versöhnlich. Sie lautete: »Soll ich dich irgendwo abholen?« Als die Minuten ohne eine Antwort dahinkrochen, ärgerte ich mich über meine Schwäche - sie würde das als Kapitulation ansehen, als Eingeständnis meiner Reue. Ich hätte es aussitzen sollen, darauf warten sollen, was sie als Nächstes tun würde. Meine zweite Botschaft war direkter: »Das Essen steht auf dem Tisch.«
Ich saß da und beobachtete eine Weile, wie das Essen kalt wurde. Ich sah auf die Uhr - es war 19.30 Uhr. Ich stieg ins Auto und fuhr los. Die Bewegung wirkte befreiend - es fühlte sich an, als würde ich etwas unternehmen. Als ich mich durch die Kreisverkehre schlängelte und über verkehrsberuhigende Hindernisse schlich, suchte ich die Fußwege und Straßen nach Zeichen von Leben ab und wünschte mir, dass Caitlin mit mir im Auto säße und sich theatralisch langweilte.
Obwohl ich verletzt war durch das, was sie geschrieben hatte, musste ich sie wiedersehen, und sei es auch nur, damit sie ihre Anklage wegen meiner Schnüffelei vorbringen konnte. Ich schaltete das Abblendlicht ein. Es dämmerte bereits, und in einer halben Stunde würde es sicher völlig dunkel sein. Ich fischte mein Handy aus dem Kleingeldfach neben dem Schaltknüppel.
Keine Nachrichten. Ich versuchte, mir keine dramatischen Szenen auszumalen - Entführung, aufdringliche Kerle -, und sagte mir, dass sie sicher nur irgendwo herumschlendern und eine Tüte Chips essen würde, bis sie wieder nach Hause kommen konnte, weil sie mich inzwischen genug bestraft hatte. Ich sah auf meine Uhr. Es war fast 20.30 Uhr. Ich redete mir ein, dass ich vor einer weiteren halben Stunde nicht ernsthaft beunruhigt sein würde.
In der Stadtmitte angekommen, fuhr ich an den Bordstein und stellte den Motor ab. Kaum hatte ich das getan, als mein Handy klingelte. Ich grapschte danach, es rutschte mir aus der Hand und fiel auf den
Boden vor dem Beifahrersitz. Ich hob es auf und sah nach, wer angerufen hatte. Es war Amanda. Genau die Person, mit der ich nicht sprechen wollte - ich war inzwischen vor Sorge in einem derartigen Zustand, dass ich wahrscheinlich innerhalb von Sekunden alles ausplaudern würde. Aber ich fühlte nach wie vor ihre Macht über mich. Sosehr ich auch vorgehabt hatte, mich von ihr fernzuhalten, sie aus meinem Leben auszuschließen - ein Teil von mir war bereit, dahinzuschmelzen, wenn ich ihr begegnete, und ich gewöhnte mich allmählich an diesen Teil.
»Amanda?«
»Hallo.«
Es herrschte Stille, was bei ihr ganz ungewöhnlich war.
»Alles in Ordnung, Alex?«
»Nicht wirklich - Caitlin ist mir abhandengekommen.«
»Was meinst du mit abhandengekommen?«
»Verdammt, es ist doch ganz offensichtlich, was ich damit meine«, sagte ich genervt. Sie antwortete nicht gleich.
Schließlich sagte sie: »Was ich meine, Alex, ist, dass sie nicht abhandengekommen ist. Sie ist hier bei
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