Dämenkind 2 - Kind der Götter
wirkt dein Zauber nicht. Du wirst Gemahlin des karischen Kronprinzen, es ist endgültig und unwiderruflich beschlos
sen. In wenigen Tagen reisen die Karier ab, also ist es ratsam, dass du mit dem Packen beginnst.«
Wenn es nichts nutzte, sein sanfteres Naturell anzusprechen, so sah Adrina lediglich noch die Möglichkeit, ihn auf der Ebene der Staatskunst von seinem Vorsatz abzubringen.
»Ich kann nicht sein Eheweib werden. Es wäre viel zu gefährlich.«
»Welch ein Unfug! Inwiefern sollte er für uns eine Gefahr darstellen?«
»Vielleicht gebäre ich ihm einen Sohn. Dann könnten sich die Karier zu dem Anspruch versteigen, dass du ihn zu deinem Erben einsetzt.«
»Pah! Söhne hab ich reichlich. Von dir brauche ich keinen Nachwuchs mehr.«
»Sie sind allesamt Bankerte, Vater.«
»Ich kann jederzeit einen von ihnen als rechtmäßigen Sohn anerkennen.«
»Wen denn?«
»Einen nach meinem Gutdünken«, gab Hablet barsch zur Antwort. »Sieh endlich davon ab, dich zu sträuben! Du heiratest Kronprinz Cratyn, das ist mein letztes Wort.«
Erbost betrachtete Adrina ihren Vater. »Ich finde einen Weg, um mich dieser Heirat zu entziehen, das schwöre ich dir. Ich gedenke mein Leben nicht damit zu vertun, vor diesem abscheulichen kleinen karischen Wurm zu dienern und zu buckeln.«
»Ganz wie es dir beliebt. Versäume es dennoch keinesfalls, beizeiten deine Aussteuer einzupacken.«
Auf dem Absatz wandte Adrina sich um und verließ
voller Wut den Audienzsaal. Als sie das Vorzimmer durchquerte, kam sie auch an Lecter Turon vorüber, und mit einem Mal wurde ihr klar, wer ihrem Vater den grenzenlos abwegigen Einfall eingeblasen hatte, sie mit dem karischen Kronprinzen zu vermählen. Dafür sollte die hässliche Ratte, entschied Adrina, eines Tages aufs Schwerste büßen.
Und was den karischen Prinzen anbelangte, so gedachte sie dafür zu sorgen, dass er unfehlbar den Tag bereute, an dem er den Fuß auf fardohnjischen Boden gesetzt hatte.
3
»HAT IHRE DURCHLAUCHT die Neuigkeit mit Wohlwollen aufgenommen?«, erkundigte sich Lecter Turon beim König, sobald er den Audienzsaal betreten hatte.
König Hablet maß den Eunuchen mit einem missmutigen Blick. »Natürlich zeigt sie nicht das geringste Wohlwollen. Vielmehr zürnt sie mir aufs Ärgste.«
»Gewiss wird sie sich noch rechtzeitig an die Vorstellung dieser Hochzeit gewöhnen.«
»Nun ja, günstiger wäre es«, knurrte Hablet. Er stemmte sich aus dem Lehnstuhl hoch und schlenderte zu den Fenstern. Unten strotzten die Gärten von Farben, und vom Springbrunnen im mittleren Innenhof klang gedämpftes Kinderlachen herauf: Diese Laute besänftigten Hablets Gemüt. Er überlegte, was es mit seinen Kindern auf sich haben mochte, dass er sie stets nur gern haben durfte, bis sie zur Reife heranwuchsen. Sobald sie erwachsen wurden, fand er an ihnen kein Vergnügen mehr. Sie entwickelten Arglist und Gier und bereiteten ihm ohne Ende die größten Ärgernisse. Die Kleinen hingegen … Ach, sie verkörperten die wahre Freude seines Lebens.
Als Adrina zehn Jahre gezählt hatte, hatte er sie schier vergöttert. Heutzutage musste er beinahe vor ihr Furcht haben.
»Darf ich mir den Vorschlag erlauben, Eure Majestät, die Prinzessin unter Aufsicht zu stellen? Es könnte sein, dass sie sich dazu entschließt, Eurem Willen zu trotzen.«
»Sie wird mir nicht trotzen«, widersprach Hablet. »Es kann nicht lange dauern, bis sie begreift, dass sie einst Königin von Karien sein wird. Dumm ist Adrina nicht, Lecter. Sie wird meinem Befehl gehorchen, aber nicht mir zuliebe, sondern weil es zu ihrem Vorteil ist.«
»Ich hoffe, Eure Majestät, dass sich Euer Vertrauen als gerechtfertigt erweist.«
»Vertrauen hat damit nichts zu tun. Sie wünscht seit langem, dem Palast den Rücken zu kehren, und zudem hab ich ihr eben gewissermaßen eine Krone geschenkt.«
»Eine Krone, die sie eines Tages an Euch weiterreichen kann, Eure Majestät?«, äußerte Lecter Turon eine hintersinnige Frage.
»Ha! Adrina? Oder dieser jämmerliche karische Kronprinz? Daran kann gar kein Gedanke sein. Adrina ist womöglich die Richtige, um einen solchen Verrat zu verüben, Cratyn dagegen hat so wenig Rückgrat wie eine Qualle. Erseht Ihr nicht, zu welcher Abmachung mit mir sich die Karier durchgerungen haben? Wie viel Holz sie zu liefern bereit sind, nur um Zufahrt in die Solanndy-Bucht und den Golf zu erhalten? Die Karier sind Narren.«
»Der Weg in ihr bedeutsamstes Heiligtum befindet sich unter Eurer Hoheit,
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