Dämenkind 2 - Kind der Götter
Geistlichkeit zurück. »Aber für alles, was er tut, hat er einen Grund.«
»Unfug!«, höhnte Dacendaran. »Du bist ein Gefangener der Medaloner, weil es Xaphista an Zeit mangelt, sich um einen bedeutungslosen Burschen wie dich zu kümmern. In dieser Hinsicht ist dein Bruder vollständig im Recht, obgleich es ihm eindeutig an klugem Verstand fehlt, wenn er ein Gefolgsmann Zegarnalds wird. Indessen war Zegarnald ja noch nie wählerisch, ihm ist jede Seele willkommen, bringt sie nur die Bereitschaft auf, für ihn zum Schwert zu greifen.«
»Jaymes ist jetzt ein Jünger Zegarnalds?«, fragte Mikel in hellem Entsetzen.
Verkniffen sah Kalinah ihn an. »Habe ich nicht aus deinem Mund vernommen, du hättest keinen Bruder?«
»Lass es gut sein, Kalianah. Kommt, wir sollten mit dem Nachmittag etwas Erfreuliches anfangen. Möchtest du das Stehlen erlernen?«
»Nein.«
»Weshalb statten wir nicht Tarjanian Tenragan einen Besuch ab?«, machte Kalianah einen Vorschlag. »Er ist dein Freund, Dacendaran, und auch wenn er es noch
nicht ahnt, ist er mir eine beachtliche Gefälligkeit schuldig.«
»Ich hasse diesen Tenragan«, maulte Mikel. Kalianah und Dacendaran sahen ihn an.
»Aber warum denn das?«, fragte Kalianah. »Er ist ein feiner Kerl, jedenfalls für einen Ungläubigen, und er ist noch ein Ungläubiger, obwohl er inzwischen weiß, dass es Götter gibt. Ich glaube, er hat sich bislang bloß nicht entscheiden können, wen er verehren soll.«
»Gleichwohl wirst du es nicht sein«, sagte Dacendaran. »Falls er erfährt, was du getan hast, erachte ich es als völlig ausgeschlossen.«
»Ach so? Und du glaubst wohl, er wird irgendwann dein Anbeter? Nur weil du ihm zuerst begegnet bist?«
Voller Verwirrung blickte Mikel zwischen Bruder und Schwester hin und her. »Wovon schwatzt ihr da eigentlich?«
Schlagartig unterbrach das Geschwisterpaar den Streit und lächelte unschuldig. »Von nichts.« Dacendaran zuckte die Achseln.
»Ich habe einen Einfall«, rief Kalianah fröhlich. »Wir besuchen Adrina. Sie magst du doch gern, nicht wahr, Mikel?«
»Natürlich habe ich sie gern. Sie ist die edelste Dame auf der ganzen Welt.« Die Aussicht, die Prinzessin wiederzusehen, erfüllte Mikel mit neuem Mut, wenngleich er sich nicht vorstellen konnte, wie es den beiden gelingen sollte, in das aufs Allerstrengste bewachte Kastell zu gelangen. »Zudem ist sie eine wahre Gläubige«, fügte er rasch hinzu, um diesen Heiden zu verdeutlichen, wer den anbetungswürdigsten Gott hatte.
»Adrina? Sie soll an den ›Allerhöchsten‹ glauben? Was für eine Hirnverbranntheit.« Offensichtlich entlockte die bloße Vorstellung, Adrina könne an Xaphista glauben, Kalianah ein glockenhelles Gelächter. »Sie ist eine Gläubige der Liebesgöttin. Immerzu hat sie zur Göttin der Liebe gebetet.«
»So, sie hat «, sagte Mikel voller Triumph. »Heute betet sie Xaphista an.«
»Nein«, erwiderte Kalianah mit kummervollem Seufzen. »Ich bin der Auffassung, sie hat es schlichtweg aufgegeben. Hat man einen dermaßen mächtigen Vater, ist es sehr schwierig, Liebe zu finden. Stets hatte ich den Vorsatz, beizeiten einen lieben Gemahl für sie ausfindig zu machen, aber dann hat sie ihr Flehen eingestellt. Oft habe ich mich nach dem Grund gefragt.«
»Was soll das heißen, du wolltest jemanden für sie ausfindig machen?«, fragte Mikel. »Die Prinzessin ist vermählt. Sie liebt Prinz Cratyn.«
»Rede nicht so albern daher! Sie liebt ihn ganz gewiss nicht .«
»Woher willst du denn das wissen?«
Kalianah zog eine Schmollmiene. »Ich weiß es, das soll dir genügen.«
»Warum fragst du sie nicht selbst?«, meinte Dacendaran und deutete in die Richtung der Pferche.
Der Weg hatte das Dreigespann vorüber an den Pferchen der medalonischen Pferde zu den Umzäunungen geführt, hinter denen sich die schönen Rösser der hythrischen Reiter befanden. Anders als bei den Medalonern trugen die Hythrier selbst die Verantwortung für ihre Rösser; daher begab sich jeder Reiter morgens zu seinem
Tier, um es zu füttern, zu bürsten und mit ihm zu reden, als verstünde es jedes Wort. Gegen die Witterung schützten sie die Reittiere nicht bloß durch aufgespannte Leinwand. Vielmehr hatten die Hythrier sich in Anbetracht des nahen Winters an den Bau regelrechter Ställe gemacht, von denen die letzten – auf der anderen Seite des Geländes – kurz vor der Fertigstellung standen. Mikel hatte Hadly wegen der Verschwendung wertvollen Holzes murren gehört, doch war
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