Dämenkind 2 - Kind der Götter
Wirtstochter, die er geschwängert und deswegen zwangsweise hatte ehelichen müssen.
Einmal war Loclon ihr begegnet, einer schludrigen, trägen Frau, die mit schwerfälliger südlicher Mundart sprach. Um die Sache noch ärger zu machen, war das Kind tot geboren worden, und seither hatte Gawn eine Ehefrau am Hals, die er verabscheute und die seiner Laufbahn mit ebensolcher Gewissheit schadete, wie Tarjanian Tenragans und R'shiels Flucht aus Grimmfelden Loclons Fortkommen behindert hatte.
»Wie ich hörte, gab es Ärger mit einem Kadetten.«
Loclon zuckte die Achseln. »Für mich nicht. Wieso sitzt du hier schon so früh am Tage?«
»Parenor wurde zu einer Besprechung zu Feldhauptmann Arkin gerufen.« Hauptmann Parenor war der Feldzeugmeister der Zitadelle. Nach seiner Rückkehr war Gawn zu seinem Gehilfen ernannt worden. Eine solche Verwaltungsstelle bedeutete für einen im Kampf bewährten Mann eine Beleidigung. »An der Grenze schreien sie immerfort nach mehr und mehr Nach
schub.« Niemand in der Zitadelle wusste mit Genauigkeit, was eigentlich an der Nordgrenze geschah. Fast die Hälfte des Hüter-Heers war in den Norden entsandt worden, und zwar, wie es hieß, um einen Großangriff der Karier abzuschlagen. Die Gründe, die man für die plötzliche Feindseligkeit der Karier anführte, waren höchst unterschiedlicher Natur, abhängig davon, welcher Spielart der Gerüchte man Glauben schenkte. Loclon erachtete jene Darstellung als richtig, die mit seiner Weltsicht übereinstimmte: Er glaubte, dass die Karier die Absicht hegten, die Ermordung ihres Botschafters durch Tarjanian Tenragan zu rächen. Eine Erklärung für Tenragans Wiederaufnahme ins Hüter-Heer hatte er allerdings nicht, ebenso wenig wie für den allgemeinen Sinneswandel der Ersten Schwester und das unvermutete Bündnis mit einem hythrischen Kriegsherrn. Selbst Gawn, der die Verhältnisse an der Südgrenze gut kannte, war ratlos, fragte man ihn, wie nahezu tausend hythrische Reiter Medalon hatten durchqueren können, ohne bemerkt zu werden. »Aber ich habe heute noch etwas gehört, das dich sehr interessieren dürfte.«
»Und das wäre?«
»Der Kriegsherr der Elasapinischen Provinz ist mit fünfhundert Reitern nach Medalon gekommen und hat sich in Markburg dem Oberbefehl Feldhauptmann Verkins unterstellt, um einen angeblich drohenden Angriff der Fardohnjer abzuwehren.«
»Ich dachte, wir lägen im Krieg mit den Kariern.«
»Offenbar hat der fardohnjische König eine seiner Töchter mit dem karischen Kronprinzen Cratyn vermählt. Parenor schäumt vor Wut, weil jetzt auch Verkin
Nachschub in solchen Mengen anfordert, dass er ihn nicht liefern kann. Schon haben die Händler davon Wind gekriegt. Im vergangenen Monat hat sich der Getreidepreis verdoppelt.«
Um den Getreidepreis hätte Loclon sich kaum weniger scheren können, aber es wurmte ihn mächtig, dass er hier in der Zitadelle festsaß, während man andernorts Krieg führte.
»Wenn wir uns an zwei Grenzen wehren müssen, wird in Kürze jeder greifbare Mann gefragt sein. Dann erhalten wir vielleicht eine Gelegenheit, um zu tun, was wir gelernt und lange geübt haben, mein Freund.«
»Anstatt dass ich mich mit Schriftstücken langweile und du dich mit einem Haufen von Heimweh geplagter Kadetten abgeben musst? Darauf will ich trinken.« Gawn leerte den Becher mit einem Zug. Loclon winkte dem Wirt, doch Gawn schüttelte den Kopf. »Lass es gut sein, Loclon. Bin ich nicht bald zu Hause, wird es noch dahin kommen, dass mein Eheweib mich mit dem Fleischmesser anfällt. O ihr Gründerinnen, wie mir das Aas zuwider ist …!«
Voller Mitgefühl lächelte Loclon. »Warum quälst du dich dann überhaupt heimwärts?«
»Für sonstigen Zeitvertreib mangelt es mir an Geld. Sie entwindet mir jeden Groschen, den ich verdiene. Da wir gerade davon reden, könntest du meine Zeche begleichen? Leider habe ich mich ein wenig übernommen.«
»In Ordnung«, antwortete Loclon und überschlug im Kopf die Summe, die Gawn ihm inzwischen schuldete. Der Betrag löste bei ihm noch keine Bedenken aus. Mitt
lerweile hatte er keinerlei Geldschwierigkeiten mehr, aber er hielt es für an der Zeit, dass Gawn etwas leistete, um eine solche Großzügigkeit zu rechtfertigen. »Jedoch unter einer Bedingung. Du begleitest mich heute Abend zu Meisterin Humbalda.«
Gawn verzog das Gesicht. »Ich kann nicht einmal die hiesige Zeche zahlen, wie sollte ich es mir da erlauben können, ein derartiges Haus aufzusuchen?«
Loclon
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