Dämmerschlaf - Roman
er sollte sich nicht an sie gekettet fühlen. Und nun wurde sie endlich dafür belohnt; aus eigenem Antrieb schlug er vor, dass sie für friedliche vierzehn Tage alle zusammen sein sollten. Ihr wurde warm ums Herz, die starre Rüstung ihrer Selbstbeherrschung schien nachzugeben, und sie sah das Feuer durch einen schimmernden Schleier. «Das wird schön», murmelte sie.
Manford zündete sich eine weitere Zigarette an und saß schweigend und paffend da. Es wirkte, als sei auch von ihm eine Last genommen, doch sein Gesichtsausdruck war noch immer ernst und gedankenverloren. Vielleicht konnte sie noch vor dem Ende ihres Gesprächs ein Wort über Alvah Loft einflechten, bestimmt würde Dexter alles anders sehen, wenn er erst von seinen Frustrationen befreit war.
Schließlich sagte er: «Ich wüsste nicht, warum das deine Pläne durchkreuzen sollte. Wolltest du nicht irgendwo eine Ruhekur machen?»
Auch daran hatte er gedacht! Wieder erzitterte sie vor Dankbarkeit. Wie schlimm von ihr, dass sie jemals an den Plänen der Vorsehung gezweifelt hatte und daran, dass sich alle Zwietracht in einer höheren Harmonie auflöste!
«Ach, meine Ruhekur ist unwichtig! Mit euch allen in Cedarledge zusammen zu sein ist die beste Erholung.»
Seine offensichtliche Sorge um sie beruhigte sie mehr als jede Medizin, wirkte noch wunderbarer als Alvah Lofts Schweigekommunikation. Vielleicht hatte ihr in all diesen Jahren nur eins gefehlt, nämlich dass sich jemand ebenso um sie sorgte wie sie sich um den Rest der Welt.
«Das ist furchtbar selbstlos von dir, Pauline. Aber einen großen Haushalt zu führen ist nie erholsam. Nona wird auf Asheville verzichten, nach Cedarledge kommen und sich um uns kümmern. Du brauchst deine Pläne nicht zu ändern.»
Sie lächelte ein wenig. «Aber ich muss , mein Lieber, ich wollte doch nach Dawnside, und das ist ja jetzt ohnehi n …»
Manford stand auf, ging zum Kamin und lehnte sich gegen den Sims. «Nun ja, das hat sich erledigt», sagte er.
«Erledigt?»
Geistesabwesend drehte er eine kleine Bronzefigur in seiner Hand. «Ja. Wenn du meinst, dass dir der Bursche guttu t … Ich habe darüber nachgedacht, was du neulich gesagt hast, und habe mich entschlossen, den Lindons von einer Anzeige abzurate n … zu überstürz t …» Er hustete und stellte die Statuette wieder auf den Kaminsims. «Sie haben das Vorhaben aufgegebe n …»
«O Dexter!» Sie sprang auf, und die Augen gingen ihr über. Er hatte tatsächlich über das nachgedacht, was sie zu ihm gesagt hatte – dabei hatte er damals so verstockt und spöttisch getan! Ihr Herz erzitterte in einem glücklichen Staunen, in dem sich Liebe und befriedigte Eitelkeit aufs Feinste vermischten. Vielleicht hatte ihr Leben in Wirklichkeit etwas viel Simpleres nötig gehabt als all die Kompliziertheiten, die sie hineingepackt hatte.
«Ich bin so froh», murmelte sie, weil sie nicht wusste, was sie sonst sagen sollte. Sie hätte gern die Arme ausgestreckt, in der Hoffnung auf eine entsprechende Geste von ihm.
Doch er blickte schon wieder auf die Uhr. «In Ordnung. Herrje, wir kommen zu spät zum Dinne r … Und danach noch in die Oper, nicht wahr?»
Die Tür schloss sich hinter ihm. Einen Augenblick lang stand sie still da, eingeschüchtert von etwas Fremdem im Zimmer, so frisch und stark wie ein Frühlingssturm. Das war wohl das Glück, dachte sie.
12
«Ja, heute Vormittag ist sie bestimmt für Sie zu sprechen. Es geht ihr anscheinend sehr viel besser; sie ist nicht mehr so fürchterlich in Eile, meine ich.»
Pauline konnte im Ankleidezimmer hören, was Maisie Bruss draußen sagte. Sie lächelte über diese Beschreibung, gedachte dankbar Alvah Lofts und rief: «Ist das Nona? Ich komme in einer Minute. Bringe nur meine Übungen zu End e …»
Sie erschien frisch und beschwingt, in einen bequemen taubengrauen Morgenrock gehüllt, und bot Nona eine glatte Wange zum Kuss. Miss Bruss war verschwunden, und Mutter und Tochter hatten das sonnige, blumengeschmückte, nach Holzfeuer duftende Zimmer ganz für sich allein.
«Du siehst wunderbar aus, Mutter! Wie neu. Hast du andere Übungen ausprobiert?»
Pauline lächelte und zog die weiche Daunendecke am Fuß ihres Sofas etwas nach oben. Entspannt ließ sie sich zwischen ihre Kissen sinken. «Nein, Liebes, es ist nu r … Ich glaube, ich bin ein bisschen klüger geworden.»
«Klüger?»
«Ja; ich habe begriffen, dass sich immer alles zum Guten wendet, wenn man nur tapfer und zuversichtlich
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