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Dämmerschlaf - Roman

Dämmerschlaf - Roman

Titel: Dämmerschlaf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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diese Äußerung. Ein Horst war in der Dichtkunst ein Adlernest, und sie fragte sich, inwiefern sich dieser Begriff auf einen Betonbungalow in den East Hundreds anwenden lie ß …
    Aber es war keine Zeit, solchen Grübeleien nachzuhängen. Mrs Landish sah sich ratlos um. «Es ist kalt – ihr friert wohl, ihr beide?» Ihr Blick ruhte traurig auf dem leeren Kamin. «Leider kann ich kein Feuer machen, mein Rost ist verkehrt.»
    «Nicht hoch genug? Du meinst, der Kamin zieht nicht?» Bei solchen Notfällen war Pauline in ihrem Element. Sie hätte sich noch von ihrem Sterbebett erhoben, um einem neuen Hausmädchen zu zeigen, wie man ein Feuer entfacht. Aber Mrs Landish schüttelte den Kopf mit dem Ausdruck einer Frau, die nicht erwartet, von anderen Frauen verstanden zu werden.
    «Nein, meine Liebe, ich meine damit, er ist historisch nicht korrekt. Ich habe es schon immer befürchtet, und Dr. Ygrid Bjornsted, eine Koryphäe in Sachen nordischer Kunst, sagte mir neulich, das einzige noch existierende Paar Feuerböcke befinde sich im Museum in Kristiania 44 . Ich habe eine Kopie davon bestellt. Aber dir ist kalt, Pauline! Sollen wir uns in die Küche setzen? Wir sind dort ganz unter uns, weil die Köchin soeben gekündigt hat.»
    Pauline wickelte sich in schweigendem Protest gegen diesen neuen Wahnsinn noch fester in ihren Pelz. «Wir kommen schon zurecht, Kitty. Du ahnst vermutlich, dass wir wegen Lita hier sin d …»
    Mrs Landish schien aus unermesslichen Fernen zu ihnen zurückzuschweben. «Lita? Hat Klawhammer sie wirklich engagiert? Für seine Herodias, nicht wahr?» Sie war ganz Begeisterung und Anteilnahme.
    Paulines Mut sank. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie sich Manfords Brauen gereizt zusammenschoben. Nein, es war sinnlos, Kitty etwas begreiflich machen zu wollen, und töricht, den Unwillen ihres Mannes zu riskieren, indem sie zu diesem Zweck noch länger in diesem eiskalten Zimmer blieb. Sie hüllte sich in Liebenswürdigkeit wie in ihren Zobel. «Es geht um Ernsteres als um diesen Filmunsinn. Aber ich überlasse es Dexter, dir das zu erklären. Er kann das viel besser als ic h … Ja, liebe Kitty, ich werde an die fehlende Stufe auf dem Vorplatz denken. Bitte mach dir nicht die Mühe, mich hinauszubegleiten – du weißt ja, Dexters Minuten sind kostbar.» Sie schob Mrs Landish sanft ins Zimmer zurück und fand auch ohne Begleitung den Weg durch die Diele. In diesem Moment ging die Zimmertür, deren Klinke klemmte, wieder auf, und sie hörte, wie Manford mit seiner trockenen Kreuzverhörstimme fragte: «Würden Sie mir bitte genau sagen, wann und wie lange Lita in Dawnside war, Mrs Landish?»
    13
    «Ich glaube, ich höre Nona seit einem Monat zum ersten Mal lachen», sagte Stanley Heuston mit einem Anflug von Ironie – oder war es schlicht Neid?
    Nona war noch immer im Strudel ihres Lachens gefangen. Sie suchte sich zum Rand durchzukämpfen und wurde doch nur Mal für Mal von nachträglichen Schluchzern und Japsern tief in den Wirbel zurückgesogen. «Es war wirklich zum Brüllen komisch», rief sie den anderen aus dem kreiselnden Strom heraus zu.
    Wie gewöhnlich hockte sie schräg auf der Lehne des großen Chintzsofas in Arthur Wyants Wohnzimmer. Wyant rekelte sich in seinem angestammten Sessel, vor sich einen vollgekrümelten, schmutzigen Teetisch, während ihm gegenüber sein Sohn und Stanley Heuston saßen.
    «Sie hat nur eine halbe Sekunde gezögert – gerade lang genug, um meinen Blick aufzufangen –, dann schlug sie einen Haken, schnappte sich ihr letztes Wort und bastelte daraus einen schönen neuen Aufruf an die ‹Mütter›. Ha, ihr hättet die Frauen erleben müssen!»
    «Ich sehe sie förmlich vor mir.» Jims Gesicht zog sich plötzlich in die Breite, wurde sanft und ernst. Er nahm sich eine von seines Vaters Brillen, klemmte sie auf seine kurze Nase und hauchte in gedehntem Singsang: «Mrs Manford ist eine so seelenvolle Frau! Ihre Botschaft ist lebenswichtig für alle Mütter.»
    Wyant lehnte sich zurück und lachte. Er war leicht zum Lachen zu bringen, und dann klang es wie ein ansteckendes Glucksen, wie ein überschwappender Springbrunnen, der sich in kreisrunden Wellen ausbreitete. Jim amüsierte sich lautstark über seine eigene Darbietung, und Heuston schloss sich dem Chor mit einem trockenen Gelächter an, das weder weiter um sich griff noch Widerhall fand, sondern ihrer Heiterkeit plötzlich Einhalt zu gebieten schien. Für einen Augenblick ärgerte sich Nona über seinen Ton. Wollte

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