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Dämmerschlaf - Roman

Dämmerschlaf - Roman

Titel: Dämmerschlaf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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er damit andeuten, dass sie sich über ihre Mutter lustig machten? Dem war nicht so; sie bewunderten sie nur auf ihre Weise, stets humorvoll und gewissermaßen fürsorglich. Stan hätte das mittlerweile begreifen müssen und ahnen können, warum Nona eben jetzt jeden Vorwand nutzte, um Jim zum Lachen zu bringen und ihm ihr gemeinsames Leben normal und fröhlich darzustellen. Aber für Stanley schien sich hinter jedem Scherz etwas zu verbergen, selbst wenn er kräftig mitlachte. So verfuhr er mit allem im Leben; immer beäugte er alles kritisch, wog und maß und stellte ernüchternde Berechnungen an. Der arme Kerl – nun ja, kein Wunder!
    Jim stand auf, noch immer die Brille auf der kurzen Nase. Er legte sich einen imaginären Mantel um, griff nach nicht existierenden Handschuhen und einem Handtäschchen und gab seinem Kopf einen leichten Klaps, als rücke er ein Federhütchen zurecht. Das Gelächter schwoll wieder an, und Wyant gluckste: «Ihr solltet öfter kommen, ihr jungen Spaßvögel. Da würde ich viel schneller gesund, als wenn man mich nach Georgia verfrachtet.» Halb entschuldigend wandte er sich an Nona. «Nicht dass ich mich nicht furchtbar über dieses Angebot freu e …»
    «Ich weiß, lieber Punkt A. Das wird bestimmt ziemlich lustig, wenn ihr beide dort unten seid, du und Jim.»
    «Ja, ich wünschte nur, du kämst auch. Warum fährst du eigentlich nicht mit?»
    Jims Gesicht nahm wieder seinen normalen Ausdruck an, und er legte die Brille beiseite. «Weil Mutter und Manford vorhaben, Lita und den Kleinen in dieser Zeit nach Cedarledge hinauszuschaffen. Guter Plan, nicht wahr? Ich wollte, ich könnte an beiden Orten gleichzeitig sein. Wir alle haben New York bis obenhin satt.»
    Sein Vater warf ihm einen Blick zu. «Schau, mein Junge, nichts spricht dagegen, dass du am selben Ort bist wie deine Frau. Ich kann meine alten Knochen auch ohne deine Hilfe nach Georgia hinunterschleppen, wenn Manford schon so freundlich ist, mich einzuladen.»
    «Vielen Dank, Dad, aber ein Teil von Litas Ferien besteht darin, von allen häuslichen Pflichten befreit zu sein, und ich bin ihre wichtigste. Sie muss nämlich dafür sorgen, dass für mich gekocht wird. Und ich behaupte keineswegs, dass ich mich nicht auf meinen Urlaub freu e … Jede Menge Sand und Sonne. Das ist jetzt genau das Richtige. Schluss mit den übermenschlichen Anstrengungen!» Er reckte die Arme in die Höhe und gähnte.
    «Aber ich dachte, Manford sei auch im Süden – bei seinen Tarpunen? Diese Idee mit Cedarledge ist wohl ganz neu?»
    «Das gehört ebenfalls zu seiner allumfassenden Liebenswürdigkeit. Er wollte, dass ich unbeschwert wegfahren kann, deshalb hat er auf das Fischen verzichtet und die ganze Sippe dienstverpflichtet, nach Cedarledge zu kommen und dort mit Lita das Leben auf dem Land zu praktizieren.»
    Wyants blasse Wangenknochen röteten sich leicht. «Das ist furchtbar nett, wie du sagst, aber wenn meine Reise in den Süden dazu führt, dass die Pläne der gesamten Familie über den Haufen geworfen werde n …»
    «Ach Unsinn, Vater.» Jim sprach plötzlich gereizt. «Manford fände es schrecklich, wenn du jetzt absagen würdest, nicht wahr, Nona? Außerdem möchte ich, dass Lita wegfahren kann, und da ist mir Cedarledge lieber als alles andere.» Die Uhr schlug, und er drückte sich aus seinem Sessel hoch. Es versetzte Nona einen Stich, als sie sah, wie lustlos und zögerlich er sich bewegte. «Herrje, jetzt muss ich mich aber beeilen!», sagte er. «Wir gehen in eine Varietévorführung, die zeitig anfängt, und vorher sind wir mit einem Haufen komischer Vögel bei Ardwin zum Essen, wenn ich’s recht weiß. Adieu, Non a … Sta n … Auf Wiedersehen, Vater. Nur noch vierzehn Tage, dann verschwinden wir!»
    Die Tür schloss sich hinter ihm, und Schweigen breitete sich aus. Wyant griff nach seiner Pfeife und stopfte sie. Heuston starrte auf den Teetisch. Plötzlich fragte Wyant: «Hört mal, wieso wird Jim mit mir auf die Insel geschickt, wenn seine Frau nach Cedarledge fährt?»
    Nona rutschte von der Sofalehne und ließ sich in einem Sessel nieder. «Aus dem schlichten Grund, den er dir genannt hat. Sie brauchen beide Ferien voneinander.»
    «Ich glaube nicht, dass Jim wirklich Ferien von Lita braucht.»
    «Na ja, umso schlimmer für Jim. Lita hat Foxtrott und Familienleben vorübergehend satt, und der Arzt sagt, sie soll eine Weile allein verreisen.»
    Wyant zog bedächtig an seiner Pfeife. Schließlich sagte er: «Das hat der

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