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Dämmerschlaf - Roman

Dämmerschlaf - Roman

Titel: Dämmerschlaf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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Frau widerstrebende Bewunderung.
    «Erwartest du, dass ich euch allen treu ergeben bin?», fragte Lita.
    «Nein, Liebes, nur Jim.»
    «Oh», sagte Jims Frau, und ihr Lächeln verzog sich zu einer matten Grimasse.
    Pauline beugte sich ernst nach vorn. «Ich will nicht so tun, als wüsste ich nichts von dem, was sich abgespielt hat. Ich bin heute gekommen, um mit dir darüber zu sprechen, ruhig und liebevoll wie eine ältere Schwester. Versuche einfach, in mir nicht die Schwiegermutter zu sehen!»
    Litas dünne Augenbrauen hoben sich spöttisch. «Oh, ich habe keine Angst vor Schwiegermüttern; sie sind nicht mehr so von Dauer wie früher.»
    Pauline schnappte nach Luft, sie begriff, welche Unverschämtheit sich hinter diesem Scherz verbarg, doch ihr berühmtes Taktgefühl kam ihr zu Hilfe. «Es freut mich, dass du keine Angst vor mir hast, denn ich möchte, dass du mir ganz offen sagst, was dir zu schaffen mach t … dir und Jim.»
    «Mir persönlich nichts, aber ich glaube, ich mache Jim zu schaffen», sagte Lita heiter.
    «Mehr als das, Liebes, du machst ihn hoffnungslos unglücklich. Es heißt, du willst dich trenne n …»
    Lita richtete sich zwischen den Kissen auf und hob den Blick zu Mrs Manford. Ihre Augen waren so hell und flach wie kostbare Topase. «Trennungen sind idiotisch. Was ich möchte, ist eine hundertprozentige New Yorker Scheidung. Und er könnte sie mir genauso leicht gewähre n …»
    «Lita! Du weißt nicht, wie traurig es mich macht, dich solche Sachen sagen zu hören!»
    «Wirklich? Tut mir leid! Aber Jim ist selbst schuld. Wäre er frei, würden sich haufenweise andere Mädchen auf ihn stürzen. Und wenn ich mich langweile, welchen Sinn hat es dann, mich halten zu wollen? Was in aller Welt können wir dagegen tun, wir beide? Man kann sich nicht gegen Langeweile versichern.»
    «Aber warum langweilst du dich denn? Du hast doch alle s …» Pauline wies mit einer Handbewegung auf den Luxus ringsum.
    «Vielleicht gerade deshalb. Immer das gleiche ‹alles›!»
    Die Schwiegermutter dämpfte ihre Stimme und murmelte lockend: «Wenn du das Haus satthas t … Nona sagte etwas davon, dass du einige Zimmer umgestalten willst, und ich verstehe zum Beispiel, dass du dieses hie r …»
    «Oh, dies ist das einzige, das mir nicht ganz und gar zuwider ist. Aber ich lasse mich nicht wegen des Hauses von Jim scheiden», antwortete Lita mit einem schwachen, in Paulines Augen boshaften Lächeln.
    «Weshalb dann? Ich verstehe es nicht.»
    «Begründungen sind nicht meine Stärke. Ich möchte, dass die Karten noch einmal neu verteilt werden, das ist alles.»
    Pauline kämpfte gegen ihre wachsende Empörung an. Da saß sie nun und musste sich anhören, wie dieser Cliffe-Fratz von Mann und Haus sprach, als legte man diese so selbstverständlich ab wie die Mode vom letzten Jahr! Aber sie war entschlossen, sich nicht von ihren Gefühlen übermannen zu lassen. «Wenn du nur an dich selbst zu denken brauchtest – was würdest du dann tun?», fragte sie.
    «Tun? Ich selbst sein, wahrscheinlich. Hier geht das nicht. Ich bin so etwas wie eine Mehrzweckattrappe. Ic h …»
    «Keiner von uns verlangt das von dir, am allerwenigsten Jim. Er will, dass du dich völlig frei fühlst und dich selbst verwirklichst.»
    «Hier, in diesem Haus?» Ihre verächtliche Geste schien es wegzuschieben wie einen Kartenstapel. «Während ich ihm jeden Abend meines restlichen Lebens am Esstisch gegenübersitze?»
    Pauline schwieg, dann sagte sie ruhig: «Und kannst du dich damit abfinden, dein Kind herzugeben?»
    «Das Kind? Warum sollte ich? Du glaubst doch wohl nicht, dass ich jemals auf mein Kind verzichte?»
    «Du willst also Jim bitten, Frau und Kind aufzugeben und gleichzeitig alle Schuld auf sich zu nehmen?»
    «Lieber Himmel, nein. Wo ist da eine Schuld? Ich sehe keine! Ich will nur, dass die Karten neu verteilt werden», wiederholte Lita hartnäckig.
    «Liebes, bestimmt weißt du nicht, was du sagst. Dein Ehemann hat das Pech, dich leidenschaftlich zu lieben. Die Scheidung, von der du so sorglos sprichst, wäre mehr, als er ertragen könnte. Selbst wenn du nicht mehr an ihm interessiert bist, so warst du es doch früher. Solltest du das nicht in Betracht ziehen?»
    Lita schien nachzudenken. Dann sagte sie: «Aber sollte er nicht umgekehrt in Betracht ziehen, dass ich nicht mehr an ihm interessiert bin?»
    Mit letzter Anstrengung gelang es Pauline, sich zu beherrschen. «Ja, Liebes, wenn es wirklich so ist. Aber wenn er nun ein

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