Dämmerschlaf - Roman
Galopp aufgebrochen waren und ausrichten ließen, sie würden unterwegs frühstücken. Sie wusste nicht, worüber sie sich mehr wundern sollte: dass man Lita noch vor dem Frühstück aus dem Bett gelockt hatte oder dass Dexter sich nach so vielen Jahren wieder in den Sattel setzte. Freilich war die Luft in Cedarledge wunderbar erfrischend und verjüngend, auch sie fühlte ihre Wirkung. Und obwohl sie ihrem Mann gern alle Verbesserungen gezeigt hätte, war sie nicht ungehalten, sondern freute sich nur still über den Erfolg ihrer Pläne. Wenn sie Jim eine zufriedene Lita zurückgeben konnten, hatten sie das Ziel dieser Ferien erreicht, und glühend vor Optimismus setzte sie sich an ihren Schreibtisch und schrieb rasch einen freudigen Brief an ihren Sohn.
«Dexter ist wunderbar, er hat Lita schon vor dem Frühstück zu einem Ritt beschwatzt. Ist das nicht ein Erfolg? Wenn du zurückkommst, wirst du sie nicht wiedererkennen. Ich wäre aller Sorgen ledig, hätte ich nicht den Eindruck, dass Nona immer noch zu blass und verhärmt aussieht. Ich werde sie zu einer Inspirationskur überreden, sobald wir wieder in der Stadt sind. Übrigens»,
kratzte ihr Füllfederhalter weiter,
«weißt du schon das Neueste von Stan Heuston? Er soll mit dieser schrecklichen Merrick nach Europa gefahren sein, und jetzt muss sich Aggie tatsächlich von ihm scheiden lasse n … Nona, die immer so eng mit Stan befreundet war, hat es natürlich auch gehört, scheint aber nicht mehr zu wissen als wir andere n …»
Nichts freute Arthur Wyant mehr, als mit solchen Skandalleckerbissen gefüttert zu werden, bevor sie Allgemeingut waren. Pauline wurde das Gefühl nicht los, dass Vater und Sohn die Abende im Inselbungalow lang werden würden, und im Überschwang ihrer Zufriedenheit wollte sie ihr Möglichstes tun, um sie aufzuheitern.
Trotz vielfältiger Beschäftigung schien der Tag endlos. Sie hatte das Baby besichtigt, die Köchin aufgesucht und mit Powder das Funktionieren der neuen Alarmanlage besprochen; sie war, die Kataloge in der Hand, mit dem Chefgärtner durch den Garten gegangen, war dann in die Molkerei und zum Geflügelhof spaziert, um zu erklären, dass Mr Manford morgen bestimmt zur Besichtigung käme, und hatte Maisie Bruss angerufen, um sich nach ihrer Mutter zu erkundigen und ihr zu sagen, sie solle eine ausführliche Liste für den Empfang des Kardinals erstellen; dennoch blieb noch erstaunlich viel Zeit. Es war köstlich, auf dem Land zu sein, das Ergebnis der Verschönerungen zu inspizieren und seine täglichen Übungen bei offenem Fenster und umweht von einer frischen Bergbrise zu absolvieren; doch ihr wahres Ich befasste sich bereits mit komplizierten Plänen für die Bewirtung des Kardinals. Sie fragte sich, ob es nicht klüger wäre, morgen in die Stadt zu fahren und sich mit Amalasuntha zu besprechen, und widerstrebend befand sie, dass auch ein Telefongespräch genüge.
Das Gespräch dauerte lang und verlief im großen Ganzen befriedigend; wäre Maisie in Reichweite gewesen, hätten die Vorbereitungen für den Empfang tatsächlich größere Fortschritte gemacht. Welch ein Pech, dass die Ärzte fanden, Maisie solle bei ihrer Mutter bleiben, bis diese im Krankenhaus ein Einzelzimmer bekam. («Natürlich ein Einzelzimmer, liebe Maisie, ich möchte nicht, dass sie in einem Krankensaal liegt. Nicht um alles in der Welt! Setzen Sie es bitte einfach auf die Rechnung. Das mach ich doch gern!») Sie tat wirklich gern, was sie konnte, aber es war bedauerlich (und niemand spürte das mehr als Maisie), dass Mrs Bruss gerade jetzt krank geworden war. Um die Zeit auszufüllen, entschloss sich Pauline zu einem Spaziergang mit den Hunden.
Als sie zurückkehrte, traf sie Nona, noch im Reitkostüm, in der Bibliothek an. Völlig in ein Buch versunken, saß sie in einer Sofaecke.
«Nanu, Kind, wo kommst du denn her? Ich wusste gar nicht, dass ihr schon zurück seid.»
«Die anderen sind noch nicht da. Lita hat sich plötzlich in den Kopf gesetzt, dass es doch lustig wäre, mit dem Auto nach Greenwich hinüberzufahren und im ‹Country Club› zu Abend zu essen, und so hat Vater sich in Greystock ein Auto geliehen und nach einem Reitknecht telefoniert, damit der die Pferde heimholt. Es klang zwar alles recht vergnüglich, aber ich war müde, deshalb bin ich nach Hause geritten. Es ist fast Vollmond, und sie werden eine wunderschöne Rückfahrt haben.» Nona lächelte zu ihrer Mutter hoch, als wollte sie sagen, durch den Mond bekomme die
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