Daemmerung der Leidenschaft
einzuziehen, ihre und Glorias.«
»Kann sein, aber Greg hätte nein sagen können. Und Brock verstehe ich auch nicht. Ich mochte ihn eigentlich immer. Hätte ihn nie für einen Schnorrer gehalten.«
»Brock hat Pläne«, erklärte Roanna, und ganz überraschend glitt ein leises Lächeln über ihre blassen Züge. »Er wohnt im Moment nur hier, weil er so viel wie möglich beiseite legen will, bevor er heiratet. Sein Traum ist ein eigenes Haus. Er und seine Verlobte haben bereits einen Architekten mit dem Zeichnen der Baupläne beauftragt.«
Webb starrte wie verzaubert auf ihren Mund. Ihr kleines, spontanes Lächeln hatte ihn wie ein Blitz getroffen. Es war ganz von selbst gekommen, ohne daß er es aus ihr herauslocken mußte. »Nun, da besteht also Hoffnung«, brummte er, um seine Reaktion zu verbergen. »Gloria und Harlan sind über siebzig; sie kann ich unmöglich rausschmeißen. Sie dürfen für den Rest ihres Lebens hier wohnen bleiben, wenn sie wollen.«
»Selbstverständlich kann sich nicht die ganze Verwandschaft hier einnisten«, sagte sie. »Ich werde auch ausziehen ...«
»Du gehst nirgendwohin«, unterbrach er sie barsch, und erhob sich abrupt.
Verwirrt blickte sie ihn an.
»Davenport ist dein Zuhause, verdammt nochmal. Hast du etwa geglaubt, ich würde auch dich raushaben wollen?« Er konnte seine Wut nicht ganz verbergen, nicht nur, weil sie vorhatte wegzugehen, sondern weil sie doch glatt annahm, daß er das wünschte.
»Ich bin auch bloß deine Cousine zweiten Grades«, erinnerte sie ihn. »Wie würde das aussehen, wenn wir beide hier wohnen, selbst wenn Gloria und Harlan sozusagen aufpassen? Jetzt ist das anders, weil das Haus so voll ist; aber wenn die anderen ausziehen, werden sich die Leute das Maul zerreißen, wenn ich nicht auch gehe. Du willst schließlich irgendwann wieder heiraten und ...«
»Du gehörst hierher und nirgendwo sonst«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und mußte sich Mühe geben, nicht laut zu werden. »Wenn einer von uns auszieht, dann ich.«
»Das kannst du nicht«, sagte sie schockiert. »Du mußt hier alles übernehmen. Es wäre nicht richtig, daß du Platz machst, bloß damit ich ein Zuhause habe.«
»Hast du nie daran gedacht, daß dieses Anwesen eigentlich dir gehören sollte?« fuhr er auf. »Du bist eine Davenport. Haßt du mich denn nicht dafür, daß ich da bin und dir alles wegnehme?«
»Nein. Ja.« Die Worte hingen zwischen ihnen, und sie blickte ihn einen Moment lang mit einem undurchdringlichen Ausdruck an. »Ich hasse dich nicht, aber ich beneide dich ein wenig um den ganzen Komplex. Mit diesem Versprechen bist du großgeworden. Du hast dein Leben darauf abgestimmt, hast immer gewußt, daß du eines Tages für diese Familie sorgen müßtest. Und genau deshalb hast du dir das Haus und das Vermögen auch verdient, es steht dir zu. Ich wußte, bevor ich nach Arizona fuhr, daß Lucinda ihr Testament ändern und alles wieder dir überschreiben würde; darüber haben wir ja bereits gesprochen. Aber auch wenn es mir um Davenport leid tut, so habe ich es doch nie als mein Eigentum betrachtet. Es war seit meiner Kindheit mein Zuhause, aber es gehörte mir nie. Erst war Lucinda dran, und bald wirst du es sein.«
Sie seufzte und lehnte vorsichtig den Kopf zurück. »Ich habe ein abgeschlossenes Wirtschaftsstudium, und zwar weil Lucinda Hilfe brauchte. Wirtschaft und Finanzen haben mich nie interessiert, wogegen du ganz wild darauf bist. Das einzige, was ich je tun wollte, war Pferde zu trainieren. Und ich will nicht den Rest meines Lebens an Geschäftskonferenzen teilnehmen; das kannst gerne du übernehmen. Außerdem stehe ich bekanntlich nicht mittellos da. Ich habe mein eigenes Erbe.«
Er klappte den Mund auf, um etwas zu sagen, aber sie hob abwehrend die Hand. »Ich bin noch nicht fertig. Wenn ich hier nicht mehr gebraucht werde ...« Sie hielt inne, und er wußte, daß sie an Lucindas Tod dachte, so wie er. Ständig dachten sie daran, wie an eine ferne Bedrohung, ob sie es nun offen aussprachen oder nicht. »Wenn alles vorbei ist, werde ich selbst eine Pferdezucht gründen und mir ein Haus kaufen. Zum ersten Mal in meinem Leben wird etwas wirklich mir gehören, und niemand wird es mir je wieder wegnehmen können.«
Webb ballte die Fäuste. Sie sah ihn sehr direkt an, doch ihr Blick war gleichzeitig ein wenig entrückt, als ob sie sich an all die Dinge, an all die Menschen erinnern würde, die ihr das Leben bereits genommen hatte –
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