Daemmerung der Leidenschaft
kleinen Liebkosung bezweckte. Sie sollte nicht erregt, sondern beruhigt werden, Sicherheit spüren und jenes Vertrauen in jeder Hinsicht empfinden, mit dem sie ihm ihren Körper beim Liebesakt schenkte. Allein die Tatsache, daß er in diesem Moment nicht mir ihr schlafen wollte, war ein Beweis für seine Aufrichtigkeit.
»Wollen sehen, ob ich die Dinge für dich noch ein wenig klarer machen kann«, überlegte er leise und hauchte einen Kuß auf ihre Stirn. »Ich habe dich geliebt, als du eine Rotznase warst, die so viel angestellt hat, daß mein Haar vorzeitig hätte ergrauen können. Als du ein Teenager warst, liebte ich deine dünnen Streichholzbeine und deine Augen, die einem das Herz brachen, wenn man sie erblickte. Und jetzt bist du eine Frau, die mein Gehirn in Mus verwandelt, die mir die Knie weich und den Schwanz hart macht. Wenn du einen Raum betrittst, dann will mir fast mein Herz in der Brust zerspringen. Lächelst du mich an, habe ich das Gefühl, den Nobelpreis gewonnen zu haben. Und deine Augen sind zutiefst in meinem Gemüt verankert.«
Seine romantische Liebeserklärung war der süßeste Balsam für ihre Seele; sie saugte sie in sich auf, in jede Zelle ihres Körpers, in ihr ganzes Inneres. Sie wollte ihm so gerne glauben, und genau deshalb hatte sie Angst, es zu tun, mißtraute ihrer Sehnsucht.
Da sie weiterhin schwieg, fuhr er fort, sie auf diese zarte, zurückhaltende Weise zu streicheln. »Jessie hat es dir ganz schön gegeben, nicht wahr? Ihretwegen bist du dir immer so ungeliebt und ungewollt vorgekommen, daß du heute noch nicht damit fertig bist. Hast du denn nicht kapiert, daß Jessie log? Ihr ganzes Leben war eine einzige Lüge. Weißt du nicht, daß Lucinda ganz vernarrt in dich ist? Nachdem Jessie tot war, hat sie dich endlich so kennenlernen können wie du bist, ohne daß jemand ständig Gift versprühte. Sie hält verdammt große Stücke auf dich.« Er zog ihre Hand an die Lippen und küßte jeden einzelnen Finger, dann knabberte er an den weichen Handballen. »Jessie ist seit zehn Jahren unter der Erde. Wie lange willst du dir noch dein Leben von ihr vergällen lassen?«
Roanna legte den Kopf zurück und erforschte mit einigem Erstaunen sein Gesicht. Verblüfft erkannte sie, daß er nie entschlossener, nie resoluter ausgesehen hatte. Seine Miene ver kündete, daß er sich entschieden hatte und verdammt nochmal alles tun würde, um an sein Ziel zu gelangen. Er wollte sie nicht heiraten, weil Davenport ihr gehören würde, denn er hätte selbst alles haben können. Lucinda hätte sich in jedem Fall an ihre Abmachung gehalten. Auch wegen einer etwaigen Schwangerschaft wollte er sie nicht heiraten ...
Als ob er ihre Gedanken lesen könnte, und vielleicht konnte er das ja tatsächlich, sagte er: »Ich liebe dich. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr, denn mir fehlen die Worte. Ich würde es gerne versuchen, aber ich bin kein Poet. Es spielt keine Rolle, ob du schwanger bist oder nicht. Ich will dich heiraten, weil ich dich liebe. Punktum.«
»Also gut«, wisperte sie und fing an zu zittern, als ihr klar wurde, was für einen Sprung ins Glück diese Entscheidung bedeutete. Reinste Seligkeit breitete sich in ihr aus.
Sie ächzte, als er sie mit einem Mal an seinen breiten Brustkorb quetschte. »Du weißt aber wirklich, wie du einen Mann zum Jaulen bringst«, sagte er leidenschaftlich. »Beinahe wollte ich schon verzagen. Was hältst du davon, wenn wir gleich nächste Woche heiraten?«
»Nächste Woche?« quiekte sie so laut, wie es ihr in diesem Schwitzkasten möglich war.
»Du glaubst doch nicht etwa, daß ich dir Zeit lasse, es dir nochmal zu überlegen?« Sie konnte das Lächeln in seiner Stimme hören. »Wenn du wirklich auf eine Riesenhochzeit versessen bist, dann werde ich mich wohl oder übel ein wenig gedulden – aber nur wenn die Vorbereitungen nicht zu lange dauern. Lucinda ... Also, ich finde, wir sollten es auf jeden Fall noch in diesem Monat über die Bühne bringen.«
Tränen schossen ihr in die Augen. »So bald? Ich hatte gehofft ... ich hatte gehofft, daß sie wenigstens den Winter noch übersteht, vielleicht den Frühling erlebt ...«
»Das glaube ich nicht. Der Arzt hat gesagt, daß ihr Herz auch langsam nachläßt.« Er rieb sein Gesicht trostsuchend in ihrem seidigen Haar. »Sie ist ein zäher alter Vogel«, sagte er heiser vor Rührung. »Aber sie hat ihren Frieden gemacht. Man kann es in ihren Augen sehen.«
Schweigend hielten sie einander einen Moment lang
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