Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Daemmerung der Leidenschaft

Daemmerung der Leidenschaft

Titel: Daemmerung der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
Vom Netzwerk:
Decke; die Dunkelheit erdrückte, ja erstickte sie.
    Am allerwehesten tat ihr Webbs Mißtrauen; daß er, obwohl er Jessie kannte, ihre Lügen akzeptierte. Wie konnte er auch nur für eine Sekunde glauben, daß sie ihn absichtlich und öffentlich bloßstellen würde? Webb war der Mittelpunkt ihres Universums, ihr Held, der einzige, den sie je gehabt hatte; wenn er sich nun von ihr abwandte, dann verlor sie den Boden unter den Füßen, dann gab es für sie keine Zukunft mehr.
    Aber aus seiner Miene hatte sie Wut und Abscheu gelesen, als er sich angewidert von ihr abwandte. Roanna umklammerte ihre Knie und wimmerte, so weh tat es. Von diesem Schmerz würde sie sich nie wieder erholen. Sie liebte ihn und stünde immer zu ihm, egal was er tat. Aber er hatte sich von ihr abgewandt, und sie schrumpfte in sich zusammen, als ihr klar wurde, was das bedeutete: sie war ihm im Weg. Alles schmerzte, als ob ihr Körper überall blaue Flecken bekommen hätte bei ihrem heftigen Zusammenprall mit der Realität. Er mochte sie vage, war amüsiert, fühlte vielleicht auch eine gewisse familiäre Verbundenheit mit ihr; aber er liebte sie nicht, wie sie es ersehnte. Mit plötzlicher, bitterer Klarheit erkannte sie, daß er die ganze Zeit nur Mitleid mit ihr gehabt hatte, und diese Demütigung zerriß sie fast. Mitleid hatte sie nie gewollt, weder von Webb noch von irgend jemandem sonst.
    Sie hatte ihn verloren. Selbst wenn er ihr die Chance gab, sich zu verteidigen, und ihr glaubte, würde es trotzdem nie wieder so sein wie früher. Er dachte, sie hätte ihn provoziert, und sein Mangel an Vertrauen war ein Verrat! Diese Gewißheit würde sie immer im Herzen tragen, ein stechender Dorn, der sie nie vergessen ließe, was sie verloren hatte.
    Sie hatte sich immer wie eine Ertrinkende an Davenport und Webb geklammert, hatte jedem Versuch getrotzt, sie zu entfernen. Jetzt jedoch, zum ersten Mal, faßte sie einen Abschied ins Auge. Es gab nichts mehr, was sie hier noch hielt – und da konnte sie ebensogut gleich aufs College gehen, wie es alle von ihr wollten, und ganz neu anfangen, an einem Ort, an dem die Leute ihr keine Vorschriften machten, wie sie auszusehen und sich zu verhalten hätte. Zuvor hatte sie bereits der Gedanke, Davenport verlassen zu müssen, in Panik versetzt, doch nun verspürte sie nur noch Erleichterung. Jawohl, sie wollte dringend auf und davon.
    Aber zuvor würde sie die Dinge für Webb in Ordnung bringen. Als letzte Liebesgeste, und dann würde sie alles hinter sich lassen und allein weitergehen.
    Sie warf einen Blick auf ihre Uhr und schwang sich aus dem Bett. Es war nach zwei; im Haus herrschte Stille. Jessie schlief wahrscheinlich längst, aber Roanna war das ehrlich gesagt piepegal. Wenigstens einmal konnte sie aufwachen und zuhören, was Roanna ihr zu sagen hatte.
    Sie wußte nicht, was sie tun würde, wenn Webb da wäre, aber das konnte eigentlich nicht sein. Er war derart aufgebracht gewesen, als er aus dem Haus stürmte, daß er sicher noch in der Stadt herumhing; aber auch andernfalls würde er wohl kaum zu Jessie ins Bett kriechen. Entweder würde er unten im Arbeitszimmer schlafen oder sonstwo.
    Licht brauchte sie nicht; sie hatte Davenport so oft des Nachts durchgeistert, daß sie all seine Winkel kannte. Leise glitt sie den Gang entlang und sah in ihrem langen weißen Nachthemd wirklich ein wenig aus wie ein Geist. Jedenfalls fühlte sie sich so; als ob niemand sie so richtig sähe ...
    Vor der Tür zu Webbs und Jessies Suite blieb sie stehen und lauschte. Drinnen war alles still. Roanna beschloß, nicht zu klopfen, und drehte den Türknauf. »Jessie, bist du wach?« fragte sie leise. »Ich muß mit dir reden.«
    Der schrille Schrei zerriß den dünnen Schleier der Nacht, ein grausiger Schrei, der endlos anzudauern schien, der höher und höher wurde, bis er schließlich erstickt abbrach. Lichter gingen in sämtlichen Räumen an, ja selbst unten bei den Ställen, wo Loyal sein Quartier hatte. Verschlafene Stimmen sprachen wirr durcheinander, Fragen flogen hin und her, und man hörte das dumpfe Tappen rennender Füße.
    Onkel Harlan war der erste, der die Suite erreichte. Er sagte: »Allmächtiger Gott!« und zum ersten Mal war der glatte Ton falscher Freundlichkeit aus seiner Stimme verschwunden.
    Die Hände in den Mund gestopft, als ob sie verhindern wollte, daß ihr noch ein Schrei entfuhr, wich Roanna langsam von Jessies leblosem Körper zurück. Ihre braunen Augen waren weit aufgerissen und starr, als

Weitere Kostenlose Bücher