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Daemmerung der Leidenschaft

Daemmerung der Leidenschaft

Titel: Daemmerung der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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Intensität, die ihr Alter Lügen strafte. »Ich glaube guten Gewissens sagen zu können«, meinte sie gedehnt, »daß noch niemand mich je für eine Närrin gehalten hat, alt oder sonstwie.« Und damit ungeschoren davongekommen ist, lautete die stumme Botschaft hinter ihren Worten. Sie mochte ja dreiundachtzig sein und dem Tode nahe, doch Lucinda war sich nach wie vor ihrer Machtstellung als Matriarchin des enormen Davenport-Imperiums bewußt; also scheute sie sich nicht, ihren Leuten diese Macht dann und wann unmißverständlich zu zeigen.
    Gloria machte einen Rückzieher und wandte sich wieder Roanna, der leichteren Zielscheibe, zu. »Das meinst du sicher nicht im Ernst. Sag ihr, daß es Wahnsinn ist.«
    »Selbstverständlich teile ich ihre Meinung.«
    Glorias Augen flackerten zornig auf bei dieser gemurmelten Aussage. »Was typisch für dich ist«, fauchte sie. »Glaub bloß nicht, ich hab vergessen, daß du mit ihm ins Bett gehüpft bist, als ...«
    »Schluß jetzt!« unterbrach Lucinda heftig und erhob sich halb aus ihrem Sessel, als ob sie vorhätte, ihre Schwester tätlich anzugreifen. »Booley hat erklärt, was wirklich zwischen den beiden vorgefallen ist, und ich lasse nicht zu, daß das ewig übertrieben wird. Und du wirst Roanna keinesfalls unter Druck setzen. Sie tut nur, worum ich sie bitte.«
    »Aber wie kommst du überhaupt auf die Idee, ihn zurückholen zu wollen?« stöhnte Gloria verzweifelt. Sie nahm Abstand von ihrer Aggressivität, und Lucinda sank wieder in ihren Sessel zurück.
    »Weil wir ihn brauchen. Ich kann Davenport nur zusammen mit Roanna leiten, und wenn ich tot bin, wird sie an der vielen Arbeit ersticken.«
    »Ach was, Lucinda, du überlebst uns doch alle!«
    »Nein«, erwiderte Lucinda kurzangebunden. Sie konnte es wirklich nicht mehr hören. »Ich werde euch nicht alle überleben. Das will ich auch gar nicht, selbst wenn ich könnte. Wir brauchen Webb. Roanna wird zu ihm fahren und ihn nach Hause holen – das ist mein letztes Wort.«
    Am darauffolgenden Abend befand sich Roanna in der Nische einer finsteren, schmuddeligen Kneipe und beobachtete den Mann, der auf einem Hocker an der Bar saß. Sie beobachtete ihn schon so lange und intensiv, daß ihr die Augen von der Anstrengung und dem Rauch im Lokal wehtaten. Das meiste, was er sagte, wurde von der altersschwachen Jukebox in der Ecke, vom Klacken der Billardkugeln und dem Summen der Gespräche übertönt; doch gelegentlich konnte sie seine Stimme ausmachen, schnappte ein Wort, eine beiläufige Bemerkung auf, die er an seinen Nachbarn oder den Barmann richtete.
    Webb. Es waren zehn Jahre vergangen, seit sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte, zehn Jahre eines verschütteten Ichs. Sie wußte und akzeptierte, daß sie ihn immer noch liebte, daß sie verwundbar war, wenn es um ihn ging; doch irgendwie hatte die endlose Folge von Tagen und Jahren sie vergessen lassen, wie heftig sie immer auf ihn reagierte. Ein einziger Blick genügte, um sie jetzt wieder daran zu erinnern. Die Flut von Gefühlen, die über sie hereinbrach, war so intensiv, daß es sie umwarf – als ob sämtliche Zellen in ihrem Körper mit einem Schlag zum Leben erwachten. Nichts hatte sich geändert. Etwas in ihr gebärdete sich immer noch so wie früher, ihr Herz hämmerte dröhnend, und sie konnte die Aufregung in jeder Faser ihres Leibes spüren. Ihre Haut prickelte und zog sich zusammen, das Fleisch darunter fing qualvoll zu pulsieren an. Die Sehnsucht, ihn zu berühren, überwältigte sie fast – sie wollte ihm nahe sein, wollte seinen einzigartigen, nievergessenen, männlichen Duft einatmen. Ihr Verlangen nagelte sie förmlich auf dem Stuhl fest.
    Infolgedessen brachte sie es nicht fertig, sich ihm zu nähern. Trotz Lucindas unerschütterlicher Überzeugung, daß sie die einzige wäre, die ihn nach Hause zurückbringen könnte, glaubte Roanna nicht, daß diese durchdringenden grünen Augen sie mit etwas anderem als mit Verachtung anblicken würden – sowie Abscheu und Abweisung. Obendrein war es diese Angst, die sie an ihren Platz bannte. Mit dem Schmerz über seinen Verlust lebte sie seit zehn Jahren, doch dieser Schmerz war ihr vertraut, und sie hatte gelernt, damit zu leben. Aber ein neuerlicher Schlag würde sie womöglich zerstören, vielleicht unwiderruflich.
    Sie war nicht die einzige Frau in der Bar; doch es gab genug neugierige männliche Blicke, die sich immer wieder auf sie richteten, um sie nervös zu machen. Webb gehörte nicht dazu; er schien

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