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Daemmerung der Leidenschaft

Daemmerung der Leidenschaft

Titel: Daemmerung der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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und hättest auch nicht die Stadt verlassen. Doch als du fort warst ...« Lucinda schüttelte den Kopf. »Sie hat dich immer innig geliebt. Als sie noch klein war, haben wir uns alle lustig darüber gemacht, haben gedacht, du seist ihr edler Ritter, eine fixe Idee – aber das war es nicht, stimmt's?«
    »Keine Ahnung!« Doch er wußte es. Roanna hatte ihm gegenüber nie irgendwelche Ausflüchte benutzt. Lieber Himmel, sie hatte ja nicht mal lügen können. Ihre Gefühle standen ihr immer vollkommen offen ins Gesicht geschrieben. Ihre Bewunderung war permanent dagewesen, wie ein Sonnenstrahl in seinem Leben; er hatte sie als selbstverständlich hingenommen, kaum darauf geachtet, nicht erkannt, wieviel sie ihm bedeutete. Und deshalb war er auch so verdammt wütend gewesen, als er glaubte, sie hätte ihn hintergangen, bloß um Jessie eins auszuwischen.
    Lucinda warf ihm einen weisen Blick zu, der ihm verriet, daß sie sich von seiner Antwort nicht täuschen ließ. »Nach Davids und Karens Tod wurden wir beide, du und ich, zu den Zentralfiguren in ihrem Leben. Sie brauchte unsere Liebe und unseren Beistand, die wir ihr größtenteils vorenthielten. Nein, das stimmt nicht: ich habe sie ihr vorenthalten, die Schuld trifft in erster Linie mich. Aber so lange du da warst, um sie zu beschützen, kam sie zurecht. Als du gingst, gab es niemanden mehr für sie, und da hat sie kapituliert. Sie hing nur noch an einem seidenen Faden, als ich endlich aufmerksam wurde«, sagte Lucinda traurig. Eine Träne kullerte über ihre runzlige Wange, und sie wischte sie unwirsch fort. »Sie wog nur noch knapp vierzig Kilo. Vierzig Kilo! Bei ihren einsdreiundsiebzig sollte sie mindestens sechzig wiegen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie bejammernswert sie aussah. Aber eines Tages habe ich sie wirklich angesehen, sie mir zum ersten Mal wirklich vorgeknöpft, und mir war klar, daß ich etwas unternehmen mußte, wenn ich sie nicht auch noch verlieren wollte.«
    Webb fehlten die Worte. Er stand auf und trat ans Fenster. Die Hände hatte er zu Fäusten geballt und tief in die Taschen seiner Jeans geschoben. Stocksteif stand er mit dem Rücken zu Lucinda und rang nach Luft. Panik stieg in ihm auf und drohte ihn zu ersticken. Mein Gott, sie war fast gestorben, und er hatte nichts davon gewußt.
    »Einfach nur zu sagen, 'du mußt essen', hätte nichts genützt«, fuhr Lucinda fort, und die Worte purzelten aus ihr hervor, als ob sie sie zu lange in sich verschlossen gehalten hätte und sich nun unbedingt jemandem anvertrauen mußte. »Sie brauchte einen Grund zum Weiterleben, ein Ziel. Also sagte ich, ich bräuchte ihre Hilfe.«
    Sie hielt inne und schluckte hart, bevor sie fortfuhr. »Keiner hat je zu ihr gesagt, daß er sie braucht. Ich wußte doch gar nicht ... Nun, jedenfalls machte ich ihr verständlich, daß ich nicht ohne sie auskam, daß mir allein alles zuviel wird. Mir war gar nicht bewußt, wie recht ich damit hatte«, fügte Lucinda trocken hinzu. »Sie hat sich wieder erholt. Es war ein langer, harter Kampf, und eine Weile fürchtete ich, daß es zu spät wäre – doch sie schaffte es. Es dauerte ein Jahr, bevor sie sich so weit erholt hatte, daß sie aufs College gehen konnte, ein Jahr, bevor sie aufhörte, uns nachts mit ihren Schreien zu wecken.«
    »Schreie?« fragte Webb. »Alpträume?«
    »Ja – von Jessie.« Lucindas Stimme war ganz leise, voller Gram. »Sie hat sie gefunden, weißt du noch? Und so schrie sie immerfort wie damals, als ob sie gerade erst ins Zimmer marschiert und – und in Jessies Blut getreten wäre.« Ihre Stimme zitterte, festigte sich dann jedoch wieder, als ob sich Lucinda solche Schwächen nicht erlauben dürfte. »Aus den Alpträumen wurde Schlaflosigkeit, als ob Wachbleiben die einzige Methode wäre, ihnen zu entkommen. Sie leidet immer noch darunter, und in manchen Nächten kann sie überhaupt nicht schlafen. Sie macht hier und da ein Nickerchen. Wenn du sie also tagsüber irgendwo schlafen siehst, dann wecke sie, um Gottes willen, nicht auf; denn wahrscheinlich ist das die einzige Ruhe, die sie finden kann. Ich habe es zur Regel gemacht, daß sie von niemandem, unter keinen Umständen, geweckt werden darf. Corliss ist die einzige, die sich nicht daran hält. Sie läßt etwas fallen oder knallt eine Tür zu – und behauptet dann, es wäre ein Versehen.«
    Webb drehte sich vom Fenster zu ihr herum. Seine Augen sprühten grünes Feuer. »Vielleicht passiert ihr das noch einmal, aber das ist dann

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