Dämmerung in Mac's Place (German Edition)
noch weniger in seine Fähigkeiten als Schneefahrer stieg Burns aus dem Kombi und trat in einen knappen halben Meter Schnee, der bis über die Ränder der Gummistiefel ging, die er am selben Morgen in einem Peoples Drugstore gekauft hatte.
Burns, der einen großen Teil seines Erwachsenenlebens in warmen Ländern verbracht hatte, verabscheute Schnee, den er mit Hungersnot, Hochwasser, Seuchen, Erdbeben und anderen Naturkatastrophen gleichsetzte. Als er sich, das weiße Zeug verwünschend, den Abhang hinuntermühte, bemerkte er, wie jemand in Skikleidung aus einem Reihenhaus kam, das fast am Ende der Sackgasse lag. Der Skifahrer schulterte ein Paar Skier und stapfte den Hang hinauf.
Burns bemerkte, daß der Skifahrer nicht sehr groß, nicht mehr als eins fünfundsiebzig oder eins sechsundsiebzig, wenn überhaupt, und so versteckt und eingemummelt war, daß die einzigen charakteristischen Merkmale deren Mangel waren. Als sie fast auf gleicher Höhe waren, lächelte Burns und fragte: »Wissen Sie, in welchem Haus Mr. Undean wohnt?«
Der Skifahrer antwortete mit einem Kopfschütteln und trottete weiter. »Verbindlichsten Dank, mein Freund«, brummte
Burns und nahm die Überprüfung der Hausnummern wieder auf. Als er mit der 12430 die Hausnummer fand, die er suchte, ging ihm auf, daß der Skifahrer dieses Haus gerade verlassen hatte. Genau in dem Moment hätte sich der immer wachsame Burns fast umgedreht und wäre zu seinem Wagoneer zurückgegangen.
Aber weil er fast zwei Stunden auf ihm unvertrauten, schneeglatten Highways gefahren war, die meisten mit nur zwei Fahrspuren für den dahinkriechenden Verkehr, entschied Burns, daß er wenigstens klingeln sollte, um zu sehen, wer ihm aufmachen würde. Er klingelte sechsmal mit zehn Sekunden Abstand. Als sich nichts rührte, drehte er den Türknauf. Die Tür ging auf, und Tinker Burns trat ein.
Durch eine zur Loggia führende Glastür sah er einen Kamin, einen Redwood-Picknicktisch, den angebauten Pier und dahinter den zugefrorenen See. Burns trat auf dem mit Kieseln bestreuten Betonboden den Schnee von seinen Stiefeln ab, wobei er soviel Lärm wie möglich machte. Aber als keine Stimme herunterrief und zu wissen verlangte: »Wer ist da?«, schrie Burns die Treppe hinauf: »He, Undean! Jemand zu Hause?«
Die darauf folgende Stille steigerte Burns’ Wachsamkeit noch. Als er die beiden Treppen hinaufstieg, stieg seine Wachsamkeit mit, und als er den Treppenabsatz zur zweiten Etage erreichte, hatte sie sich in Unbehagen verwandelt. Vom raschen Treppensteigen leicht keuchend, betrat Burns das große Schlafzimmer, fand nichts, beließ es dabei, ging langsam durch den kurzen Flur und in das büchergesäumte Arbeitszimmer, wo er Gilbert Undean tot auf dem Fußboden fand.
Burns ging in die Hocke, vergewisserte sich, daß Undean tatsächlich tot war, stand wieder auf und sah auf seine Armbanduhr. Es war genau zwölf Uhr mittags. Er benutzte das Telefon auf dem Eichenschreibtisch, rief das Willard Hotel an und fragte nach Granville Haynes. Burns ließ das Zimmertelefon achtmal klingeln, bevor er die Verbindung unterbrach und Mac’s Place anrief. Beim ersten Klingeln hob Karl Triller, der Barchef, ab und sagte: »Wir haben noch nicht geöffnet.«
»Karl? Tinker Burns. Ich –«
»Eine Sekunde, Tinker«, unterbrach Triller ihn.
Burns hörte, wie Triller in gedämpftem Tonfall mit jemandem sprach. »Okay, hier sind die Wagenschlüssel. Wenn ich mit dem Anruf fertig bin, kriegt ihr jeder eine Bloody Mary, aber das ist das absolute Limit.«
Burns hörte gedämpften Protest, verstand den Wortlaut aber nicht. Und dann kam wieder Trillers normale Stimme: »Ja, Tinker?«
»Ich muß Granny Haynes finden, weil es sich um einen Notfall handelt und ich keine von deinen üblichen dummen Fragen brauche.«
»Was für ein Notfall?«
»Von der schlimmsten Sorte, du Arschloch!«
Es folgte eine lange Pause – die jeder außer Burns für ein gekränktes Schweigen gehalten hätte –, bis Triller sagte: »Versuch es bei Padillo«, eine Telefonnummer nannte und auflegte.
Burns wählte die Nummer. Beim zweiten Läuten meldete Padillo sich mit einem neutralen »Hallo«. »Ich bin’s, Tinker. Und ich muß mit Granny Haynes sprechen.«
»Was soll das Gekeuche?« sagte Padillo.
»Ich stehe neben einer Leiche.«
»Ich hole ihn.«
Burns hörte, daß ein zweiter Hörer aufgenommen wurde, gerade als Haynes sich meldete und fragte: »Wessen Leiche?«
»Gilbert Undeans. Ein sauberer Schuß in
Weitere Kostenlose Bücher