Daemmerung ueber der See
vorspielt.
»Es … es, äh, tut mir leid, wenn ich störe, Mrs. Keen. Ich habe ein paar Briefe.« Er fingerte nach ihnen, aber sein Ärmel verfing sich an dem kurzen Säbel, den er immer trug. »Mein Schiff liegt noch in Portsmouth. Ich dachte …«
Der abschreckende Hausdrache fragte: »Ist alles in Ordnung, Ma'am?«
»Ja.« Zenoria warf ihren Kopf zurück, wie damals, als ihr Haar wie schimmernde Seide herunterhing. »Warum nicht?«
»Jawohl, Ma'am.« Sie trat zurück, um den Ankömmling eintreten zu lassen. »Sollten Sie etwas benötigen …« Sie huschte geräuschlos auf dem Marmorboden davon, aber ihre Worte hingen wie eine Drohung in der Luft.
Zenoria sah ihn ein paar Sekunden an. »Sie wissen, daß Sie hier nicht willkommen sind,
Kapitän
.« Sie blickte sich um, als fürchtete sie, belauscht zu werden. Das Haus lag völlig ruhig da, so als ob es gespannt zuhörte und zusah.
»Es tut mir leid. Ich werde sofort gehen.« Er sah, daß sie zurückwich, als er einen Schritt auf sie zu machte. »Ich hatte nicht vor, Sie in Verlegenheit zu bringen. Ich nahm an, Ihr Mann wäre hier.« Er verlor sie, bevor er ihr nahegekommen war.
Sie hatte sich gesammelt. »Er ist in London auf der Admiralität. Heute abend wird er zurück sein.« Ihre Augen blitzten. »Sie hätten nicht kommen dürfen! Sie hätten das wissen müssen!«
Eine Tür wurde diskret geöffnet und wieder geschlossen, und sie sagte: »Kommen Sie in die Bibliothek.«
Sie ging voraus, sehr gerade und klein in dieser Kathedrale von einem Haus.
Das Mädchen mit den Mondscheinaugen
, hatte sie ihr Onkel genannt.
Bücherstapel lagen auf einem Tisch. Gleichmütig meinte sie: »Alles meine. Sie warten darauf, daß unser neues Haus fertig wird.« Sie blickte auf die hohen Fensterscheiben, gegen die eine Biene hilflos anflog. »Alle sind hier sehr nett zu mir … aber ich muß immer fragen. Ich habe keine Kutsche, und man hat mich davor gewarnt, alleine auszureiten. Es gibt Straßenräuber, und auch Deserteure sind immer in der Nähe. Es ist wie in der Wüste!«
Adam dachte an den Gärtner und die Muskete. »Wann werden Sie hier wegziehen?« Er wagte kaum zu sprechen.
Sie zuckte die Achseln. Sogar das ließ sein Herz schmerzen.
»Dieses Jahr, nächstes Jahr – ich weiß es nicht. Wir werden in der Nähe von Plymouth leben, es ist nicht Cornwall, aber in der Nähe. Ich finde dieses Leben wahrhaft entmutigend. Die Familie ist die meiste Zeit in London, und Vals jüngste Schwester läßt das Baby niemals in Ruhe.«
Adam versuchte sich an die Schwester zu erinnern. Sie hatte ihren Mann auf See verloren.
»Ich sehe niemanden. Erst wenn Val nach Hause kommt, kann ich …« Ihr schien klarzuwerden, was sie sagte. »Und was ist mit dir? Noch immer der tapfere Held? Der Schrecken des bösen Feindes?« Aber das Feuer verlosch nicht.
»Ich muß so oft an dich denken, daß ich fast den Verstand verliere.« Ein Schatten glitt am Fenster vorbei, und er sah, daß ein Mädchen das Baby über den sauber geschorenen Rasen trug. »Es ist so klein«, entfuhr es ihm.
»Du bist überrascht? Dachtest du, es wäre älter –, vielleicht dein Sohn?«
Sie verspottete ihn, aber als er sich umdrehte, sah er Tränen in ihren Augen.
»Ich wünschte bei Gott, es wäre meins. Unseres!«
Er hörte, daß sein Pferd wieder vor das Haus geführt wurde. Die Haushälterin würde sich wohler fühlen, wenn er umgehend wieder fortritt. Sie würde Keen von seinem Besuch erzählen.
Er legte die zwei Briefe auf den Tisch. »Für deinen Mann. Sie waren mein Schlüssel zu deiner Tür. Aber ich war glücklos …«
»Was hast du erwartet? Daß ich mit dir ins Bett gehe, nur weil du es bist, nur weil du immer alles bekommst, was du haben willst?«
Er nahm seinen Hut und schob sein unbändiges Haar aus der Stirn. Er merkte nicht, wie sie bei dieser vertrauten Geste zusammenzuckte. »Ich wollte nur dich, Zenoria.« Zum ersten Mal hatte er hier ihren Namen ausgesprochen. »Ich hatte kein Recht und auch nicht den Mut, dir zu sagen, daß ich dich liebe.«
Sie zog an einer seidenen Kordel. »Bitte geh. Vielleicht wird Gott uns beiden vergeben, aber ich kann dir nie verzeihen.«
Die Tür schloß sich. Sie blieb einige Minuten still stehen, bis sie die Stimme des Kutschers hörte, der sich für die Münzen bedankte, die ihm der junge Kapitän in die Hand gedrückt hatte. Dann nahm sie ein schmales Buch von einem der Stapel und öffnete es nach einigem Zögern. In der Mitte lagen ein paar gepreßte
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