Dämon, Dämon an der Wand: Roman (German Edition)
Kielwasser hinterlassen hatte, ankämpfte. Sie waren Opfer eines alten Elfenfluchs gewesen, eine verzerrte Verkörperung von Chaos und Tod selbst. »Dann können sie uns also nichts anhaben.«
»Das habe ich nie gesagt.« Schnees Lippen zuckten. »Träume haben Macht. Du solltest das wissen.«
Talia schnaubte. »Und du solltest wissen, dass es eine Weile her ist, seit ich das letzte Mal geträumt habe!«
Schnee gestand ihr den Punkt mit einem Neigen des Kopfes zu. »Was für ein Jammer!« Sie kam näher heran und strich mit der Hand an Talias Arm hoch. »Träume können ziemlich … anregend sein.«
Talia zitterte. Sie war ähnlich gekleidet wie Schnee: jadegrünes Gewand und passendes Kopftuch. Ihr roter Umhang war verschwunden und mit ihm die einzige Hoffnung, sich gegen die Wilde Jagd zur Wehr setzen zu können.
»Keine Bange!«, sagte Schnee und zog Talia das Kopftuch aus. Richtige Kopftücher waren dick, gewoben, um den Träger vor der Wüstensonne zu schützen; dieses hier schwebte wie Seide zu Boden. »Diesmal kommen sie nicht wegen dir.«
Talia zwang sich, sich loszureißen. »Bist du real? Oder ist das irgendein Trick, eine Illusion des Dämons?«
»Falls es so ist, so bist du schon verloren«, meinte Schnee sachlich. »Du könntest es ebenso gut genießen.«
Die Jagd war jetzt näher. Talia konnte den größer werdenden Staubsturm sehen, der von ihrem Herannahen kündete. »Du hast gesagt, sie kommen nicht wegen mir. Weswegen dann?«
Schnee zeigte an Talia vorbei auf die Stelle, wo Danielle und Gerta auf einer eingestürzten Mauer saßen und sich irgendeine Art grüne Melone teilten. Talia versuchte, eine Warnung zu rufen, aber es kamen keine Worte heraus. Sie fing an zu rennen, aber ihre Füße versanken mit jedem Schritt tiefer im Sand.
»Du kannst uns nicht alle beschützen«, sagte Schnee.
»Dann sieh her!« Talia fletschte die Zähne und drehte sich um, um der Wilden Jagd entgegenzutreten. Traum oder nicht, sie war der Jagd noch etwas schuldig für das, was sie Arathea zugefügt hatten.
Lippen streiften ihre Wange, doch als sie herumwirbelte, war Schnee fort. Der Donner der Wilden Jagd erstarb. Das Licht verblasste, und kalte Luft umfing sie. Sie machte einen Schritt, und der Sand unter ihren Füßen verwandelte sich in Holz.
Magie schoss durch ihren Körper, so heftig, dass es sich anfühlte, als höre ihr Herz vorübergehend zu schlagen auf. Sie fand sich in einem kleinen, geschmackvoll eingerichteten Wohnzimmer wieder. Der Boden bestand aus gemusterten Holzplatten, Dreiecken aus abwechselnd hell und dunkel gemaserter Eiche, was sie so wirken ließen, als wüchsen die Formen auf den Betrachter zu. Gerta war schon da und saß in einem der blauen Sessel mit den hohen Rückenlehnen, die um einen niedrigen Tisch herumstanden. Fenster gab es keine, aber die auf die Wand aufgemalten Schlingpflanzen und Bäume riefen den Eindruck hervor, im Wald zu sein.
»Danielle müsste gleich kommen«, sagte Gerta.
»Danke.« Es überraschte Talia nicht, hinter sich nur eine lückenlose Wand zu sehen; einzig auf der anderen Seite des Raums gab es eine einzelne Tür. Sie versuchte den Griff und fand sie verschlossen. Dahinter hörte sie nichts. »Dieser Traum. Was war das?«
»Denkst du, der König würde Fremde in sein Zuhause lassen, ohne zuerst ihren Geist und ihre Beweggründe zu erforschen?«
»Er hat es gesehen, nicht wahr?« Talia hatte sowohl ihre Waffen als auch den roten Umhang wieder. Sie zog das Kleidungsstück fest um sich, denn sie kam sich entblößt vor. »Was passiert, wenn ihm nicht gefällt, was er sieht?«
»In den Tagen meiner Mutter hieß es, man würde … anderswo herauskommen. Manche sagen, sie hatte Hunderte von Räumen in das Fundament des Palasts bauen lassen – Kammern, groß wie Särge, ohne Licht und ohne Ausgang. Nichts als Dunkelheit, zu beengt, um sich auch nur zu bewegen, während man langsam verhungerte.« Sie legte den Kopf schräg. »Obwohl ich nicht weiß, ob meine Mutter jemanden an einem Ort eingesperrt hätte, wo sie ihn nicht verhören konnte. Wo sie seinen Schreien nicht lauschen konnte.«
Talia betrachtete die Porträts an den Wänden, während sie versuchte, das Bedürfnis zu unterdrücken, dem König von Allesandria die Kehle herauszureißen. Ein zentrales Gemälde in überwölbtem Goldrahmen zeigte König Laurence und Königin Odelia; kleinere links und rechts davon ihre beiden Kinder. Das Mädchen sah wie etwa fünf aus, der Junge war eher in Jakobs
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