Dämon
Meter entfernt öffnete sich der Durchgang in einen weiteren Raum.
»Möchtest du nachsehen?«, fragte Brogan.
Jefferson nickte, zog den Kopf ein und arbeitete sich langsam durch den Kriechgang vorwärts. Die Decke war so niedrig, dass Jefferson nur in der Hocke vorankam. Brogan folgte ihm. Bald gelangten beide Männer in einen großen unterirdischen Raum. Jefferson richtete sich auf und leuchtete umher. Der Raum war quadratisch, jede Seite ungefähr sechs Meter lang, und die Wände bestanden aus massiven Steinblöcken.
Aus dem Boden ragten dunkle, halbmeterhohe Objekte. Einige standen aufrecht, andere in den verschiedensten Winkeln schief, doch jedes war rechteckig mit einer gerundeten Spitze.
Grabsteine.
Der Raum war voller Grabsteine, vergessenen Gedenkstätten des Todes in einer unterirdischen Kammer. Ein Friedhof unter dem Gefängnis. Jefferson bewegte sich durch den Raum und leuchtete auf die Inschriften. Sie alle datierten aus der Zeit zwischen 1691 und 1692. Wer waren diese Toten? Die ursprünglichen Bewohner des Forts? Woran waren sie gestorben? Der Raum roch nach Erde, wie das Innere einer Höhle. Jefferson spürte, wie seine Füße leicht ins weiche Erdreich einsanken, das den Boden bildete. Die Luft war dick und träge, seit dreihundert Jahren unbewegt und abgestanden. Brogan blieb vor einem der Grabsteine stehen und leuchtete auf die Inschrift. »Einige von diesen Toten waren offensichtlich Kinder.«
Er ging vorsichtig durch den gesamten Raum und leuchtete mit der Lampe von einer Seite zur anderen. Auf der Rückseite blieb er stehen und starrte auf irgendetwas hinunter.
»Sieh dir das an!«, sagte er.
Er deutete auf einen hohen Erdhaufen neben einem der Grabsteine. Mitten in dem Haufen befand sich ein rechteckiges Loch, das knapp zwei Meter in die Tiefe reichte. Jefferson kam herbei und stellte sich neben ihn. Beide Männer blickten hinunter auf die sauber ausgeschnittenen Seiten und den ebenen Boden, der Jefferson an ein offenes Grab erinnerte.
»Jemand hat hier etwas ausgegraben«, sagte Jefferson.
Die Mauer vor ihnen war aus dem gleichen Stein wie der Rest des Lochs. Als Jefferson mit der Taschenlampe darüber leuchtete, entdeckte er eine Inschrift in ungelenker Schrift.
Aus vier Richtungen brennt ihr Vormarsch wie Feuer,
Gewaltsam dringen sie in die Behausungen der Menschen ein,
Sie machen Stadt und Land dem Erdboden gleich,
zerstampfen die freien Menschen und die Gefangenen.
Brogan betrachtete die Schrift aus der Nähe; dann leuchtete er Jefferson ins Gesicht. »Würdest du mir bitte sagen, was hier eigentlich vorgeht?«, fragte er.
Jefferson schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, ich wüsste es.«
»Glaubst du, es könnte jemand sein, der hier arbeitet?«, fragte Brogan. »Jemand vom Gefängnispersonal?«
»Das werden wir heute Nacht herausfinden«, sagte Jefferson.
»Wie das?«
»Wir gehen heute Nacht auf die Jagd«, erwiderte er.
Drei Stunden später saßen Jefferson und Brogan an einem großen runden Tisch in einem der Verwaltungsräume des Blade- Gefängnisses. Die Einrichtung stammte offensichtlich aus den Siebzigerjahren. Orangefarbene Kissen auf den Sofas, Holzvertäfelung, grüne Aktenschränke, Vogelbilder an den Wänden. Wie das Hinterzimmer in einer Disco. Neben den Bildern zeigte ein Fenster hinaus aufs Meer. Ein schöner Ausblick – wäre es nicht aus einem Gefängnis heraus gewesen. Durch die Scheibe fiel das letzte schwache Licht des Tages, das bereits vom hellen Leuchten der Fluoreszenzlampen an der Decke verdrängt wurde.
Sie hatten die bösen Hunde für diese Sache herbeigepfiffen. Lieutenant Josh Commons, Leiter des Sondereinsatzkommandos, einer der schärfsten Hunde der Bostoner Kripo. Commons stand vor dem Tisch und betrachtete einen Grundriss des Gefängnisses, der vor ihm ausgebreitet lag. Er trug einen schwarzen Einsatz-Overall mit schwarzen Springerstiefeln und eine kugelsichere Weste in dunklem Grau. Er hatte eine schwarze Baseballmütze auf und trug eine HK MP5 an einem dünnen Tragegurt über der Schulter. Mit dem Ellbogen verhinderte er, dass die Maschinenpistole nach vorn schwang.
Das SWAT -Team war mit zwei Police Marine Cruisern hergebracht worden. Der Direktor hatte den Männern den Aktenraum des Gefängnisses zur Verfügung gestellt, den einzigen Raum mit einem Tisch, der lang und breit genug war, um die Grundrisse des Gefängnisses darauf auszubreiten. Jefferson hörte den Rest des SWAT -Teams draußen reden und gelegentlich Witze reißen,
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