Dämon
den Sinn, und er blickte zur Seite. An der Wand neben der Schlafzimmertür stand etwas geschrieben. Eingeritzt in die rosafarbene Tapete, so tief, dass der Gips darunter weiß zum Vorschein trat. Jefferson starrte auf die Botschaft.
Ich bin da.
Eine Stunde später saßen Jefferson und Wu am Esstisch der Familie. Wu hielt eine kastanienbraune Serviette in der Hand und zerknüllte sie geistesabwesend, während er auf die spiegelglatt polierte Holzoberfläche des Tisches starrte. Cops in Uniform durchsuchten das Haus von oben bis unten. Jefferson hörte sie oben, wo sie vor der eingeritzten Botschaft standen und diskutierten.
»Was war das für ein Ding heute Morgen in meinem Haus?«, fragte Wu zum wiederholten Mal, wobei er die Serviette knetete.
Jefferson schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht mit Sicherheit. Wir arbeiten noch daran, Doc.«
»Sie sollten sich beeilen, Detective Jefferson. Dieses Ding ist in mein Haus eingedrungen, wo meine Ehefrau wohnt, wo unser Baby lebt. Ihr Fall hat dieses … Ding ins Haus meiner Familie geführt. Ich bin Wissenschaftler, kein Cop!«
»Ich weiß, Doc, und es tut mir aufrichtig Leid«, sagte Jefferson.
»Hat das alles mit dem Lyerman-Fall zu tun?«, fragte Wu.
Jefferson nickte. »Ich glaube schon. Sie erinnern sich, was Sie mir über die DNS des Fragments gesagt haben, das am Tatort gefunden wurde? Dass es die Fähigkeit besitzt, die DNS eines beliebigen Lebewesens zu imitieren, mit dem es in Berührung kommt?«
»Selbstverständlich.«
»Dieses Ding – am Telefon klang es genau wie Sie, Doc. Und Ihre Haushälterin hat heute Morgen einen Mann in Ihrer Küche gesehen, der genauso aussah wie Sie. Kann dieses Ding Sie anhand Ihrer DNS imitieren? Auch Ihre Stimme?«
Wu breitete die Serviette auf dem Tisch aus und dachte nach. »Möglich. Allerdings bringt einen die DNS alleine nicht sehr weit. Theoretisch könnte jemand dadurch so aussehen wie ich, doch andere Dinge … mein Verhalten, meine Aussprache oder mein Wortschatz … werden erst im Lauf des Lebens erlernt. Das alles wird durch die Umwelt geprägt. So etwas wird nicht unmittelbar an unsere Nachkommen vererbt und ist auch nicht in der DNS verankert.«
Jefferson nickte. »Beispielsweise auch die Brandnarbe an Ihrer Hand?«
»Genau, Will. Die DNS allein reicht nicht, um eine Brandnarbe zu reproduzieren.«
»Trotzdem könnte dieses Ding anhand Ihrer DNS ungefähr erraten, wie Sie aussehen?«
»Rein theoretisch. Aber worüber wir hier reden, ist kein Bestandteil der heutigen allgemeinen wissenschaftlichen Meinung …« Wu zögerte und blickte Jefferson an. »Andererseits …«
»Ja?«
»Nach unserer Unterhaltung gestern habe ich mich an gewisse Einzelheiten meiner früheren wissenschaftlichen Arbeiten erinnert. Irgendetwas kam mir bekannt vor. Also forschte ich nach und fand ein paar interessante Dinge heraus. Wie gesagt, diese Dinge entsprechen nicht der allgemeinen wissenschaftlichen Meinung, doch es ist durchaus möglich, dass wir uns in einem Bereich jenseits der bekannten wissenschaftlichen Welt bewegen.«
» Weit jenseits, wenn Sie meine Meinung hören wollen, Doc. Was haben Sie denn herausgefunden?«
»Ich erinnerte mich, dass ich mit einem Kollegen zusammen eine Fallstudie über ein Skelett betrieben habe, das in den 1930er-Jahren in den Bergen Südchinas entdeckt wurde.«
»Ein menschliches Skelett?«
»Möglicherweise. Vielleicht aber auch nicht. Wir wissen es nicht, Will. Die Knochenstruktur war mit nichts vergleichbar, das jemals ausgegraben wurde. Die Gestalt war humanoid, doch der Schädel war größer, mit stark ausgeprägtem Kiefer und großen Raubtierzähnen. Die Arme waren viel länger als alles, was typischerweise aus dieser Zeit gefunden wird. Und das Merkwürdigste von allem – es besaß einziehbare Klauen. Wie bei einer riesigen Katze. Vollkommen unbekannt bei sämtlichen humanoiden Skelettfunden.«
»Was war es?«
»Das ist immer noch ein großes Geheimnis. Akademiker debattieren gern, und dieser Fund rief damals einen gewaltigen Wirbel in der wissenschaftlichen Welt hervor. Man gelangte zu der Meinung, dass es sich bei diesem menschenartigen Skelett um ein Raubtier gehandelt haben müsse. Einen Killer. Und das ging gegen die Meinungen jener Zeit, dass der evolutionäre Erfolg des Menschen auf seinen geistigen und nicht seinen körperlichen Fähigkeiten basierte.
Das alles geschah, bevor Johanson in Afrika das Skelett Lucys entdeckte. Doch auch ohne diesen Fund besaß man eine
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