Dämon
kuscheln und so weiter.«
»Glaubst du, McKenna würde Ja sagen?«
»Vielleicht«, entgegnete Brogan. »Warte mal, ja?«
Durch den Hörer vernahm Jefferson das Geräusch einer sich öffnenden Tür und eine weibliche Stimme, die in schnellen Worten zu Brogan sprach.
»Das ist meine Schwester. Ich muss Schluss machen«, sagte Brogan, nachdem er den Hörer wieder aufgenommen hatte. »Aber du gehst kein unnötiges Risiko ein in Russland, versprochen? Und halte mich auf dem Laufenden. Wann bist du wieder zurück?«
»In zwei, spätestens drei Tagen.«
»In Ordnung. Viel Erfolg. Ach, noch was …«
»Ja?«
»Frag sie, ob sie mitkommt.«
Dreißig Stunden später saß Jefferson in einem der unbequemen Plastiksitze einer B 747 der British Airways. Stewardessen in hellbraunen Kostümen bewegten sich durch die Gänge und verteilten Getränke in kleinen Plastikbechern und Erdnüsse in noch kleineren Tütchen. Jeffersons Tisch war vorgeklappt, und ein Reiseführer über Petersburg lag aufgeschlagen vor ihm und zeigte Schwarzweißbilder des berühmten Mariinsky-Balletts. Er seufzte, schlug das Buch zu und streckte die Arme. Dann beugte er sich vor und blickte nach links am Leib des dicken Mannes vorbei, der neben ihm in den Sitz gequetscht saß, durch das ovale Fenster. Draußen herrschte kristallklare blaue Monotonie über der Schicht aus flachen, bewegungslosen weißen Wolken.
Er spürte, wie jemand seinen Arm drückte und wandte sich vom Fenster ab zum Sitz rechts von ihm. McKenna sah ihn an. Sie hatte ihre Haare nach hinten gekämmt und zu einem Pferdeschwanz gebunden. Er liebte den Blick in ihre Augen.
Sie lächelte. »Wie geht es dir?«
»Ich fühle mich ganz gut, danke«, antwortete Jefferson.
Sie sah ihm einen Moment tief in die Augen, bevor sie sich wieder dem Magazin auf ihrem Schoß zuwandte und die Seiten umblätterte.
Wie bin ich bloß hierher gekommen? Wie kommt es, dass sie neben mir sitzt?, fragte sich Jefferson. Er hatte es irgendwie noch immer nicht begriffen. Nach seinem Gespräch mit Brogan hatte er tatsächlich bei McKenna angerufen und sie gefragt, ob sie Lust hätte, mit ihm nach St. Petersburg zu fliegen. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte sie zugesagt. Und nun saß sie neben ihm. An Bord eines Flugzeugs, auf dem Weg nach Russland. Das Leben war manchmal eigenartig.
McKenna trug Jeans, Turnschuhe und ein Sweatshirt und sah trotzdem noch besser aus als die meisten Frauen in der Modezeitschrift auf ihrem Schoß.
Der Lautsprecher über dem Sitz knackte, und der Pilot meldete sich mit schwerem britischem Akzent. »Verehrte Fluggäste, wir haben den Landeanflug auf den Pulkova-Flughafen von St. Petersburg eingeleitet. Wir werden in ungefähr dreißig Minuten landen. Die Ortszeit ist zweiundzwanzig Uhr siebenunddreißig, der Himmel ist klar, die Außentemperatur beträgt zwei Grad Celsius. Im Namen der gesamten Besatzung hoffe ich, dass Sie einen angenehmen Flug mit British Airways genießen konnten. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt.«
Der Pulkova-Flughafen lag ein Stück außerhalb von St. Petersburg, und ein Bus fuhr in stündlichen Abständen zum Stadtzentrum. Nachdem sie ihre Taschen auf dem Gepäckband eingesammelt und die Passkontrolle und den Zoll passiert hatten, folgten sie den orangefarbenen Schildern, auf denen die Silhouette eines Doppeldeckerbusses zu sehen war.
Sie kamen nach draußen und stiegen in einen wartenden Bus. Kurze Zeit später begann die gemächliche Fahrt in die Stadt.
McKenna sah Jefferson an. »Wie hieß noch mal das Hotel, in dem wir absteigen?«
»Moskwa. Es war der am leichtesten zu lesende Name auf der Liste.«
McKenna nickte und sah wieder aus dem Fenster. Sie fuhren am breiten Obvodnovo-Kanal entlang, der in der berühmten weißen Sommernacht glänzte wie der silberne Bauch eines riesigen Fisches. Eine goldene Hängebrücke mit zwei großen Bronzeadlern auf beiden Seiten führte über den Kanal. Die Fabeltiere hatten die Flügel nach oben ausgestreckt; die Rümpfe darunter waren geduckt wie bei einer Katze.
Entlang dem Kanal standen Wohnblocks im Art-nouveau-Stil, stumpfe rote Ziegelbauten mit glänzenden Fenstern. Die oberen Stockwerke und die Fenster waren mit bunten Mosaiken gerahmt. Auf den Bürgersteigen waren nur wenige Menschen unterwegs.
In der Ferne, auf der anderen Seite des Kanals, erhob sich die blaue, weiße und goldene Sankt-Nikolaus-Kathedrale über den funktionalen Ostblock-Plattenbauten. Die vier vergoldeten
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