Dämon
…«
»Das ist die Richtige?«
»Ja. Diese Schriftrolle beschreibt die Schlacht zwischen den Kriegern von Qumran und dem Bösen aus dem Norden, bei dem es sich möglicherweise um unseren Freund hier in der Kiste handelt, möglicherweise aber auch nicht.«
»Fand denn die Schlacht tatsächlich statt?«
»O ja«, antwortete Ugriumov rasch. »Die Schlacht ist historisch gut belegt.«
»Wie das?«
»Man fand Gräber, Massengräber, vor den Grenzen der Stadt Qumran. Sie waren hastig ausgehoben worden, weil die Toten vom Schlachtfeld in der heißen Sonne des Nahen Ostens rasch verwesten. Man grub Tunnels in einen Berg und markierte die Zugänge mit einem Schädel.«
»Einem Schädel?«
»Grabstätten galten als unreine, Unheil bringende Orte. Der Schädel warnte die Menschen, sich nicht unnötig zu nähern.«
»Und was befand sich in diesen Massengräbern?«
»Skelette. Hunderte von Skeletten in voller Kampfmontur. Das Merkwürdige daran war, dass viele verbrannt worden waren, ein Ritual, um den Toten zu reinigen. Außerdem besaßen sämtliche Skelette, die man fand, die gleichen Verletzungen.«
Ugriumov hob die Hand und krümmte die ersten drei Finger zu einer Kralle. »Sie alle hatten parallele Schnittwunden … drei Schnitte. Dieses Muster fand sich auf den zerfetzten Lederrüstungen genauso wie auf den Schilden. Irgendetwas ging durch ihre Panzer hindurch wie ein heißes Messer durch Butter.«
Jefferson nickte und rief sich die parallelen Wunden ins Gedächtnis, die sie bei all den Toten in Boston vorgefunden hatten. Die tiefen Risse. Das Fragment, das im Brustbein von Kenneth Lyerman stecken geblieben war, jenes Fragment, das Dr. Wu analysiert und mit dem Skelett in dieser Kiste in Verbindung gebracht hatte. Es war beinahe, als würde dort draußen irgendetwas sein Unwesen treiben und in die Fußstapfen dieser Kreatur hier treten, die vor undenklichen Zeiten gestorben war. Und erneut schien eine Schlacht bevorzustehen wie jene in der Wüste vor Jerusalem, erneut schienen die Mächte des Bösen über die Menschen zu kommen, und aus irgendeinem Grund hatten sie sich diesmal Boston ausgesucht.
Ohne ein weiteres Wort packte Ugriumov die Rolle und wickelte sie wieder ein. Seine Bewegungen wirkten mit einem Mal nervös und fahrig, als wüsste er, was Jefferson dachte. Er fuhr sich mit der Hand über den Nacken und fasste dann in einer nachdenklichen Pose seine Nasenwurzel zwischen Daumen und Zeigefinger.
»Ich denke, für heute sind wir fertig. Genug gegraben, nicht war?«, sagte er knapp, band die Rolle zusammen und steckte sie in die Amphore zurück.
»Warten Sie«, sagte McKenna. »Was hat das auf einmal zu bedeuten?«
»Ich bin nicht sicher«, antwortete Ugriumov, »aber es geht mich auch nichts an.«
»Was meinen Sie damit, ›es geht mich nichts an‹?«, fragte Jefferson und packte Ugriumov am Arm.
Der kleine Mann riss sich los, zog die Amphore an seine Brust und wich vor McKenna und Jefferson zurück. Seine Miene drückte Verärgerung und Unsicherheit aus.
»Ich kann Ihnen nicht helfen«, flüsterte der Russe.
»Warum nicht?«, fragte Jefferson.
Ugriumov sah ihn an. »Diese Amphoren waren versiegelt. Sie sind zwanzig Jahre lang versiegelt gewesen. In der ganzen Zeit hat niemand sie angesehen, bis wir heute hierher kamen, und die Tinte ist immer noch feucht. Erscheint Ihnen das nicht merkwürdig?«
»Allerdings.« Jefferson zuckte die Schultern. »Ich bin nicht sicher, aber vielleicht gibt es ja eine Erklärung, und …«
»Nein, die gibt es nicht!«, unterbrach Ugriumov ihn. »Weil es keine Logik mehr gibt! Wir sind auf etwas gestoßen, das sich meiner Logik und meinem Verstand entzieht, und das macht mir Angst!«
»Mir auch. Trotzdem sind Sie der Einzige, der eine Ahnung zu haben scheint, was diese Dinge bedeuten«, sagte Jefferson. »Ich werde Sie nicht einfach so davongehen lassen. Es sind bereits zu viele Menschen gestorben.«
Jefferson schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, dass es krachte. Dann wandte er sich brüsk ab und ging zu den Metallregalen. An der Decke flatterte ein schwarzes Ding und stürzte sich auf eine Motte, die um die nackte Glühbirne kreiste; dann schoss die Fledermaus wieder durch den Gang davon. Ugriumov starrte Jefferson einen Augenblick an und fuhr sich mit der trockenen Zunge über die noch trockeneren Lippen.
»Ich habe Ihnen bisher noch nicht erzählt, was mit den Männern, den Kreuzrittern passiert ist, die dieses Skelett damals nach China gebracht
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