Dämon
möglicherweise im Körper vom jemandem, der es gar nicht weiß«, sagte Brogan. »Und dieser Dämon, dieser Geist, sucht nach der entsprechenden Person?«
»Sidina ist am Leben«, sagte Saint. »Seine Seele lebt in jemandem. Und der Dämon sucht nach genau dieser Person. Er sucht seit Hunderten von Jahren nach ihr, seit Generationen. Er und seine drei Gefährten. Sie suchen Sidina und die drei anderen Krieger. Und vielleicht haben sie gefunden, was sie suchen. Hier in Boston.«
Saints Worte ließen Jefferson schaudern. Die Vorstellung, dass dieser Dämon tatsächlich sein Unwesen in der Stadt trieb, dass er sich irgendwo dort draußen verbarg, in den Schatten versteckt, dass er beobachtete und wartete, wie er seit Jahrhunderten gewartet hatte – diese Vorstellung war geradezu aberwitzig.
»Der Dämon und Sidina sind durch ein Band miteinander verknüpft, das nicht zerreißen kann. Der erste Schritt für den Dämon auf seinem Weg zurück in die physische Welt, in unsere Welt – und zwar für immer – besteht darin, Besitz zu ergreifen von dem Körper, in dem Sidinas Seele heute lebt. Dieses Manuskript wurde als Mahnung geschrieben. Als Warnung, dass der Dämon bis ans Ende der Zeit nach seinem reinkarnierten Körper sucht. Ganz gleich, wie lange es dauert, der Dämon wird suchen und suchen, bis er wieder Gestalt annehmen kann. Aber es ist ein wenig wie bei den drei Musketieren, wissen Sie? Einer für alle, alle für einen und so weiter. Alles oder nichts. Es reicht nicht, wenn nur der Dschinn, der Sidinas Körper besessen hat, Besitz von Sidinas Reinkarnation ergreift. Die anderen müssen ebenfalls ihre Reinkarnationen finden und Besitz von ihnen ergreifen.«
Auf der anderen Straßenseite, auf dem Schulhof, hatten vier Kinder ein Basketballspiel angefangen, zwei gegen zwei, und das Geräusch des Gummiballs auf dem Betonboden drang herüber. Venice hatte den Kopf gedreht und sah den Kindern beim Spielen zu. Er hatte die Arme noch immer vor der Brust verschränkt.
»Stand in dem Manuskript irgendwas darüber, wie wir diesen Dämon besiegen können?«, fragte Brogan.
»Ja. Man kann ihn töten«, antwortete Saint gedehnt und beschirmte die Augen mit der Hand gegen die Sonne. »Aber nach dem, was ich gelesen habe, gibt es nur eine Möglichkeit, ihn zu besiegen.«
»Und die wäre?«
»Als Sidina besiegt wurde, legte man eine Tür aus Metall auf seinen Leichnam. Sein Blut war so sehr durchsetzt vom Bösen, dass es das Metall zum Schmelzen brachte, wo es die Tür berührte. Dieses Metall, das nun vom Bösen verseucht ist, wurde geschmolzen, und sechs Pfeilspitzen sowie ein Dolch wurden daraus geschmiedet. Nur diese Waffen, die mit Hilfe von Sidinas eigenem Blut erschaffen wurden, können die Dämonen töten, diese Dschinn, sollten sie jemals zurückkehren. Und wenn man einen von ihnen tötet, tötet man alle.«
Am Ende des Hufeisens tanzte Venices Kopf auf und ab, und seine Lippen bewegten sich, als würde er vor sich hin singen. Jefferson fragte sich, ob er Bescheid wusste über das, was Saint erzählte.
Die Luft roch nach gegrilltem Hähnchen – ein süßlicher, würziger Duft, der durch das Hufeisen zog. Die Nacht versprach warm und angenehm zu werden, ideal für ein Barbecue im Freien.
»Wo sind diese Waffen?«, fragte Brogan. »Was wissen Sie darüber?«
Saint schüttelte den Kopf. »Nichts. Ich hab nichts darüber gefunden. In dem Manuskript steht nur, was nötig ist, um diese Dämonen zu erledigen. Und man muss sie schnell töten, bevor sie wiederauferstehen.«
Jefferson fragte sich, ob diese Wiederauferstehung vielleicht schon angefangen hatte. St. Petersburg, das blutende Leichentuch, die nasse Tinte auf dem Pergament. Die ersten Veränderungen wurden erkennbar. Jahrhunderte lang nichts, und nun …? Jefferson schauerte, als er daran dachte, wie McKenna sich den Finger an dem scharfen Zahn der Kreatur geschnitten hatte. Wie ihr Blut von diesem Ding aufgesaugt worden war und nun durch seine Blutgefäße zirkulierte …
Saint sprach erneut, doch Jefferson hörte gar nicht zu. Plötzlich aber riss ihn ein einzelnes Wort Saints in die Gegenwart zurück.
»Lyerman.«
»Was?«
»Ich sagte, der Name von dem Typ, dem ich das Manuskript verkauft hab, war Lyerman«, wiederholte Saint. »Joseph Lyerman.«
» Der Joseph Lyerman?«
»Der reiche Typ, dem die ganzen Fernsehsender gehören, ja. Genau der.«
»Er war hier?«, fragte Jefferson und versuchte sich vorzustellen, wie Lyermans elektrischer
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