Dämon
Geräusch drang aus dem Tunnel, wie von losem Dreck oder kleinen Steinchen. Alabama kehrte vorsichtig zum Loch im Boden zurück und sah hinunter, zuckte aber sofort zurück.
»Was ist?«, fragte Eric.
»Ein Japs!«, antwortete Alabama. »Wahrscheinlich der Bursche, der Martinez angeschossen hat.«
»Knallst du ihn ab?«
Alabama beugte sich erneut vor und sah hinunter in das Loch.
»Er hat keine Waffe«, sagte er langsam. »Was soll ich jetzt tun?«
»Was willst du damit sagen, er hat keine Waffe?«
»Er ist unbewaffnet. Und es sieht aus, als wäre er ebenfalls verwundet.«
Eric ließ Martinez für einen Augenblick allein und kehrte zum Eingang des Tunnels zurück, um selbst nach unten zu sehen. Zweieinhalb Meter tiefer lag direkt unter dem Loch ein japanischer Soldat. Sein Kopf ruhte an der Wand des Tunnels. Unter seiner linken Schulter war ein dunkler feuchter Blutfleck zu erkennen. Es war der Soldat, der Eric unter Beschuss genommen hatte.
Er war hager, und seine Rippen zeichneten sich deutlich unter der Haut ab. Mit glasigen Augen blickte er zu Eric und Alabama hinauf und murmelte etwas auf Japanisch. Der Tunnel füllte sich schnell mit dichtem schwarzem Rauch, der aus dem Einstieg quoll wie aus einem Schornstein.
Der Verwundete presste sich einen Stofflappen, den er sich aus dem Hemd gerissen hatte, auf den Mund, wurde aber trotzdem von heftigen Hustenanfällen geschüttelt.
»Was machen wir mit ihm?«, fragte Alabama.
Eric zuckte die Schultern. »Wir lassen ihn zurück.«
»Wenn wir ihm nicht helfen, krepiert er da unten«, entgegnete Alabama langsam.
Er hatte Recht. Der verwundete gegnerische Soldat besaß nicht mehr genügend Kraft, um sich allein aus dem Loch zu befreien. Er würde entweder verbrennen, verbluten oder an Rauchvergiftung sterben. Keine viel versprechende Auswahl.
»Martinez stirbt ebenfalls«, sagte Eric. »Und das da unten ist der Kerl, der auf ihn geschossen hat.«
»Ja. Schätze, du hast Recht.«
Eric wandte sich ab und kehrte zu Martinez zurück. Der hatte den Mund aufgerissen und atmete angestrengt. Seine Zähne waren blutig. Hinter sich hörte Eric ein angestrengtes Grunzen. Er drehte sich um und sah, wie Alabama den japanischen Soldaten aus dem Loch zerrte.
»Meine Güte, was machst du denn da?«, rief Eric. »Das ist doch verrückt! Hast du den Verstand verloren?«
»Wir können ihn nicht einfach liegen lassen. Das wäre nicht richtig. Er wird so oder so sterben, warum also nicht in Frieden und mit vollem Magen?«
»Ach, du willst ihm auch noch Essen geben? Wir schleppen unsere verdammten Rationen durch diesen elenden Dschungel, damit du sie an die Japse verfütterst, oder was?«
Der Japaner lag zusammengekrümmt am Boden. Er packte Alabamas Stiefel, hielt ihn fest und blickte flehend zu ihm auf. Dann sagte er etwas auf Japanisch, das wahrscheinlich ein Dankeschön sein sollte.
Sekunden später waren die restlichen Männer des Trupps heran und drängten sich um Martinez und den japanischen Soldaten. »Wo kommt der denn her?«, fragte Kelly Keaveney überrascht.
»Aus dem Tunnel«, antwortete Alabama und deutete auf das Loch.
Der Soldat sagte etwas auf Japanisch. Seine Augen weiteten sich, als er redete, und seine Finger krallten sich in Alabamas Hosenbein.
»Was will der Bursche?«, fragte Jersey.
Alabama zuckte die Schultern. »He, Reder!«, rief er einen seiner Kameraden herbei. Martin Reder war in San Francisco aufgewachsen und sprach einigermaßen Japanisch. Er war der einzige Mann im gesamten Trupp, der überhaupt Japanisch konnte.
Reder war ein junger, gescheiter Bursche mit kurz geschorenem Haar und breitem, freundlichem Gesicht. Er stand bei Martinez und starrte auf den Verwundeten, doch als er seinen Namen rufen hörte, trottete er zu Alabama herüber.
»Ja? Was gibt’s?«
»Kannst du verstehen, was er sagt?«
Reder lauschte aufmerksam dem gemurmelten Japanisch. Der verwundete Soldat wirkte äußerst aufgeregt. Seine Augen waren weit aufgerissen und drohten aus den Höhlen zu quellen, und sie zuckten zwischen den umstehenden Amerikanern hin und her.
Nach einem Augenblick zuckte Reder die Schultern. »Zum Teil.«
»Und? Was sagt er?«, fragte Alabama.
Reder sprach den Verwundeten an. Als der japanische Soldat seine Muttersprache hörte, drehte er sich zu Reder um und sprach mit deutlicherer Stimme weiter. Seine Wunde schmerzte ihn offensichtlich, und alle paar Sekunden hielt er inne, um mühsam durchzuatmen. Sein Gesicht wurde ständig blasser,
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