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Dämon

Dämon

Titel: Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Delaney
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aus wie ein uralter Tempel. Wie der Parthenon. Neugierig löste ich mich aus der Formation, näherte mich dem Gebäude und stieg die Steintreppe hinauf.
    Im Innern lag irgendetwas Totes.
    Ich bemerkte es am Geruch. Man muss es nicht erst sehen, um zu wissen, dass man in der Nähe eines Kadavers ist. Man kann es riechen. Tote Menschen haben ihren eigenen, charakteristischen Geruch. Den schlimmsten Gestank, den ich in meinem ganzen Leben gerochen habe. Der Gestank eines verwesenden Leichnams ist widerlich. Man möchte sich an Ort und Stelle übergeben. Diesen Geruch hat man noch Stunden später in der Nase. Als Junge habe ich mal einen Toten an der alten Route 53 gefunden. Der Mann war überfahren worden, wahrscheinlich von einem Truck, und lag im Graben; deshalb hatte ihn keiner gefunden. Er musste fast eine Woche dort gelegen haben, bevor ich vorbeikam und die Leiche fand. Ich erinnere mich nicht mehr, wie er ausgesehen hat, doch den Gestank werde ich mein Lebtag nicht vergessen, so viel ist sicher. Und hier im Dschungel, auf der Treppe vor dem Gebäude, stieg mir genau der gleiche Gestank erneut in die Nase.
    Das Summen wurde immer lauter, je näher ich dem offenen Eingang kam. Es waren fünf oder sechs Stufen, die nach oben zu der Öffnung führten, und mit jeder Stufe wurde das Summen lauter und der Gestank intensiver. Ich erreichte die oberste Stufe und betrat den Raum hinter der Öffnung. Das Innere war heiß und stickig. Meine Augen benötigten ein paar Sekunden, um sich an das Dunkel zu gewöhnen, und als es so weit war und ich mich umsah, zögerte ich ein paar Sekunden, um sicherzugehen, dass ich tatsächlich sah, was ich sah.
    Ich stand in einem Raum voller Leichen. Sie waren überall. Leichen, die buchstäblich auf dem Boden aufgestapelt lagen, bis in die Ecken hinein. Leichen baumelten an dicken Seilen von der Decke, schaukelten im schwachen Luftzug und starrten mich aus toten Augen an.
    Scharen von Fliegen schwirrten über die Toten wie eine schwarze, wogende Wolke, und erfüllten den Raum mit ihrem Summen.
    Hastig wandte ich mich ab und schlug mir die Hand vors Gesicht. Mit der freien Hand winkte ich meine Kameraden herbei. Seals war als Erster oben bei mir, sah durch die Öffnung ins Innere und stieß einen leisen Pfiff aus.
    »Gütiger Himmel!«
    Seals, der Leuteschinder, der eiskalte Killer, war schockiert bis ins Mark.
    Vincent kam als Nächster. Eine Sekunde später war er wieder draußen im Freien und übergab sich ins Gras.
    »Was ist hier passiert, um Himmels willen?«, stieß Seals hervor.
    Ich schüttelte den Kopf, ohne die Hand vom Gesicht zu nehmen, und warf einen weiteren Blick auf die Berge von Leichen. Sie sahen japanisch aus. Mein Magen spielte verrückt, und es kostete mich schier übermenschliche Anstrengung, mich nicht zu übergeben. Ich schloss die Augen. Ich spürte, wie meine Kameraden einer nach dem anderen nach oben kamen und in den Raum sahen. Keiner sagte ein Wort. Es herrschte absolute Stille, bis auf das Summen der Fliegen und das Würgen meiner Kameraden.
    »Seht euch das an!«, sagte Brogan, als auch er endlich oben stand. »Diese Fliegen … sie rühren die Leichen nicht an! Keine einzige Fliege lässt sich auf einem der Toten nieder …«
    Ich schlug die Augen auf und sah genauer hin. Brogan hatte Recht. Die Luft war voller summender Fliegen, doch keine einzige kroch über einen der Toten.
    »Was glauben Sie, wer dahinter steckt, Sir?«, fragte Brogan, an Seals gewandt.
    »Keine Ahnung.«
    »Unsere Jungs? Die verschwundene Kompanie?«
    »Nein … das war etwas anderes. Kein Mensch wäre zu so was fähig«, sagte Seals und drehte sich zu uns anderen um. »Ich will, dass jeder einzelne Tote durchsucht wird! Versichert euch, dass keiner von denen zu unserer Seite gehört. Zieht sie nach draußen, und macht schnell. Wir wollen nicht länger in diesem Loch bleiben, als unbedingt nötig.«
    Wir machten uns an die Arbeit und trugen die Toten aus dem Tempel hinaus aufs Gras. Wir kauten Pfefferminzkaugummis und hatten uns Tücher vor die Nase und den Mund gebunden. Brogan hatte ein wenig Eau de Cologne, und wir rieben uns das Zeug auf die Oberlippe. Es reichte nicht annähernd, um den Gestank fern zu halten.
    Ich trug einen Toten nach dem anderen nach draußen, und mir war schwindlig vom durchdringenden Geruch nach Verwesung und Parfüm. Schließlich hatten wir alle Toten draußen, in einer langen Reihe im Gras.
    »Ich sag es nicht gern«, flüsterte Vincent mir während der Arbeit

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