Dämon
nahm zögernd die Hand weg.
»Kannst du laufen?«, flüsterte ich.
»Ich glaub schon.«
Wir halfen ihm auf die Beine, und Brogan humpelte ein paar Schritte vorwärts, indem er den Kolben seines Karabiners als Krücke benutzte. Wir standen am Rand eines weiten dunklen Bereichs. Säulen erstreckten sich in jede Richtung, so weit der schwache Lichtschein von der Treppe reichte.
Der Blick zwischen den Säulen hindurch war atemberaubend. Juwelen glitzerten in der Decke – ein Spiegelbild der nächtlichen Sternbilder. In der Mitte des Raums war die Insel, aus Stein gehauen und umgeben von Spiegeln, in denen die Sterne reflektierten wie in einem Ozean, als würden wir nachts aus einem Flugzeug auf die Insel hinunterschauen.
Entlang der Wände und an jeder Säule standen lebensgroße Krieger aus Stein. Sie waren bewaffnet mit langen, gekrümmten Schwertern und Schilden und trugen Kettenpanzer. Wir bewegten uns tiefer in den Raum, der still und dunkel vor uns lag. Das einzige Licht kam von den funkelnden Juwelen an der Decke. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich eine plötzliche Bewegung. Irgendetwas war von einer Säule zur anderen gehuscht. Ich drehte den Kopf, sah aber nichts außer stummen Statuen.
»Sergeant?«, flüsterte ich in die Dunkelheit.
Seals antwortete nicht. Nur ein kalter Wind, der sich scheinbar aus dem Nichts erhob, streifte über uns und ließ mich ein wenig erschauern. Am Ende des Raumes schloss sich ein langer Gang an, erhellt von weiteren Fackeln. Der Boden war mit glänzendem Marmor ausgekleidet, in dem sich das flackernde Licht spiegelte. Am Ende des Gangs stand eine riesige Statue, fast sechs Meter hoch. Sie zeigte einen Menschen mit Stierkopf. Die Hörner waren geschwungen und spitz, die Augen in einem Ausdruck des Zorns zu schmalen Schlitzen verengt; die muskulösen Arme waren in die Seiten gestemmt.
Auf der Treppe hinter uns ertönte ein Scharren. Die Japse hatten den Weg nach unten entdeckt und folgten uns nun.
»Bleiben wir in Bewegung«, sagte Vincent leise.
Ich lauschte einen Augenblick. Weiteres Schlurfen von schweren Stiefeln auf Stein. Dann ein neuerlicher leichter Luftzug und Atemgeräusche. Wir waren nicht allein.
Hastig bewegten wir uns zum Ende des Raums. Brogan humpelte mühsam. Sein Bein war nass vor Blut. Ich hörte eine Stimme, die irgendetwas auf Japanisch sagte. Dann ein lauter Knall, und neben uns platzten Splitter aus dem Stein. Sie schossen wieder auf uns. Wir gingen hinter den Säulen in Deckung, während weitere Schüsse fielen.
»Sie haben uns in die Zange genommen«, flüsterte Vincent. »Überall kriechen Japse herum.«
Ich nickte, streckte den Kopf hinter der Deckung hervor und sah zwei japanische Soldaten, die am anderen Ende des Raumes von einer Säule zur nächsten huschten. Ich hob meinen Karabiner und gab zwei Schüsse ab. Beide verfehlten ihr Ziel. Von irgendwo kam die Antwort: Vier Mündungsblitze zuckten in der Dunkelheit auf, gefolgt vom Einschlag von Kugeln, die als jaulende Querschläger durch die Dunkelheit surrten.
Ich zog mich hastig in die Deckung der Säule zurück. Zwanzig Meter weiter sah ich die rechteckigen Umrisse eines dritten Durchgangs; dahinter war eine weitere Treppe, die tiefer nach unten führte. Ich deutete zum Durchgang. Wir mussten uns weiter zurückziehen.
»Versuchen wir, da runterzukommen.«
Wir zogen die Köpfe ein und huschten zur nächsten Säule, ohne dass Schüsse uns folgten. Nach einer Sekunde schlichen wir weiter. Vor uns lag etwas am Boden. Ein japanischer Soldat.
Er lag in einer großen Blutlache, und über seine Brust lief ein tiefer Schnitt. Direkt über ihm stand eine der Kriegerstatuen, reglos und erstarrt, doch das erhobene Schwert war nass.
Nass von frischem Blut …
Wir schlichen weiter, am toten Japaner vorbei und zum Durchgang, der nach unten führte.
Hinter uns ertönte der laute Schrei eines Japaners. Ich hörte ein Zischen wie von einer Klinge, die durch hohes Gras fährt. Dann gellte erneut der Schrei.
Irgendetwas schüttelte mich.
»Jefferson!«, sagte eine Stimme. »Wach auf!«
Erneut das Schütteln, von irgendwo in der Dunkelheit, die mich umgab. Der Tempel war verschwunden, und ich saß zitternd in der Dunkelheit. »Wach auf!«, sagte eine drängende weibliche Stimme.
Irgendetwas wurde mir über den Kopf gezogen. Ich hatte das Gefühl, mir würde eine kalte metallene Kette abgenommen.
Jefferson spürte einen eiskalten Lufthauch, als er von einer Sekunde zur anderen das Bewusstsein
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