Dämon
KONFERENZRAUM, BADEZIMMER WESTFLÜGEL, BADEZIMMER OSTFLÜGEL . Die Liste darunter enthielt Hunderte von Namen. Jefferson klickte einen der Namen an und schob ihn auf ein Bildschirmsymbol. Die Unterschrift änderte sich, und der Überwachungsmonitor an der Wand über ihm zeigte ein neues Bild.
Jefferson wählte die Lobby an und schob sie auf ein weiteres Bildschirmsymbol. Ohne Verzögerung zeigte der Monitor die Lobby des Lyerman Building. Sie war leer und dunkel. Jeffersons Blick huschte über die restlichen Überwachungsmonitore an der Wand, als er eine flüchtige Bewegung bemerkte. Und dann sah er Brogan, der irgendwo im Gebäude mit dem Rücken zur Kamera einen langen Flur hinunterging.
Am Ende des Ganges bog er nach rechts ab und verschwand außer Sicht. Jefferson versuchte, die Kameras umzuschalten und Brogan erneut ins Bild zu holen, doch sein ehemaliger Partner war wie vom Erdboden verschluckt. Jefferson starrte auf die Bildschirme – sie waren leer.
Zornig wandte er sich wieder dem Steuerungscomputer zu. Auf dem Desktop entdeckte er ein weiteres Icon, das ein Fernglas darstellte. Jefferson klickte mit der Maus darauf, und ein neues Fenster öffnete sich. Es schien eine Suchfunktion zu steuern. Indem Jefferson Schlüsselworte eintippte, konnte er Zimmer für Zimmer durchgehen, geordnet nach der Art des Raumes oder nach der Größe.
Ganz unten am Rand des Fensters bemerkte er eine Zeile: NACH BEWEGUNGEN SUCHEN ?
Jefferson klickte die Zeile an, und ein winziges Fernglas erschien auf dem Schirm und wanderte über die Positionen der Überwachungskameras. Es blieb über einem hell aufblinkenden Listenpunkt stehen: HAUPTKORRIDOR ERSTER STOCK .
Ein Bild erschien.
Jefferson sah Brogan durch einen weiteren Korridor laufen. Diesmal folgte die Kamera seiner Bewegung. Jefferson sah genauer hin und erkannte, dass das äußere Erscheinungsbild Brogans unverändert war. Er sah völlig normal aus, doch irgendetwas an seinen Bewegungen war anders. Feindselig, bedrohlich …
Der Dämon hielt Brogan also für die Reinkarnation eines Kriegers, der vor fast achthundert Jahren getötet worden war. Er hatte Brogan auf der Insel gefunden und war an Bord der Galla gefangen gewesen, als Brogan mit dem Schiff untergegangen war. Vierundsechzig Jahre später hatte der Dämon ihn in Boston erneut gefunden. Doch sie waren einem seiner Kameraden begegnet, damals in Bosnien, in jener Nacht, als sie das kleine Mädchen ermordet und die Soldaten getötet hatten. Das war die hasserfüllte Präsenz gewesen, die sie alle gespürt hatten.
Jefferson sah hinauf auf den Bildschirm. Brogan war vor einer Tür stehen geblieben. Er griff nach der Klinke und öffnete die Tür.
»O nein …«, flüsterte Jefferson.
Die Kamera schaltete um. In der nächsten Einstellung sah Jefferson das Badezimmer mit der gefesselten McKenna in der Wanne. Die Tür öffnete sich, und Brogan erschien im Eingang.
Jefferson starrte wie gebannt auf den Schwarzweißmonitor. McKenna lag reglos in der Wanne und sah Brogan an. Brogan hatte den Raum betreten und stand am Rand der Wanne. Er blickte auf McKenna hinunter. In der rechten Hand hielt er eine lange Klinge, die wie ein riesiges Küchenmesser aussah.
Jefferson beobachtete hilflos das Geschehen. Er wusste, dass er niemals rechtzeitig eingreifen konnte, um McKenna zu helfen. Brogan starrte sie so kalt und gefühllos an wie ein grausames Kind einen verletzten Vogel.
Jefferson griff nach seinem Handy und tippte Brogans Nummer ein.
»Mach schon!«, rief er, als könne er Brogan auf diese Weise dazu bewegen, den Anruf entgegenzunehmen.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern. Jefferson starrte auf den Schwarzweißmonitor und beobachtete Brogans Reaktion. Der schien gar nicht zu bemerken, dass er angerufen wurde. In Jefferson stieg Verzweiflung auf. Der Gedanke an das, was als Nächstes kommen würde, war ihm unerträglich. Dann aber trat Brogan von der Wanne zurück und griff in die Jackentasche.
»Ich nehme an, dass du es bist, Jefferson. Ich kann mir nicht vorstellen, wer sonst um diese Zeit anrufen sollte«, sagte Brogan, ohne eine Antwort abzuwarten. »Ich hatte schon befürchtet, dich aufgeben zu müssen.«
»Ich bin immer noch hier«, entgegnete Jefferson. »Und ich warte auf dich.«
»Wo genau bist du?«, fragte Brogan.
»Auf dem Dach«, antwortete Jefferson. »Komm und hol mich.«
Jefferson unterbrach die Verbindung und schaltete den Vibrationsalarm ein, damit das Gerät nicht in einem unpassenden Augenblick
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