Dämon
der Tür. Durch das dicke Glas hindurch konnte er hinaus auf den Korridor sehen. Draußen herrschte wildes Chaos. Wasser schoss in den Korridor und jagte in einer Flutwelle einen Niedergang zur Rechten hinunter. Männer rannten auf und ab und platschten durch das Wasser am Boden, wobei sie um das Gleichgewicht kämpften, während das Schiff sich immer stärker neigte. Eric hörte die gedämpften Rufe der Männer sogar durch das dicke Metall der Tür. An der Decke blinkte eine rote Alarmlampe auf und warf ihr blitzendes Licht auf das wilde Chaos.
Irgendwo tief im Innern des Schiffes erklang ein berstendes Geräusch, gefolgt von einem lauten metallischen Kreischen. Der Rumpf wurde eingedrückt, als immer mehr Wasser hineinströmte. Die Galla versank langsam in den Fluten, während immer mehr Salzwasser in ihren Leib strömte. Das Wasser im Korridor stieg unaufhörlich. Eric sah Ausrüstungsteile und Schiffsinventar durch den Gang treiben, Akten, lose Blätter, ein Sitzkissen, einen Schuh. Eric drückte den Türgriff herunter, doch er klapperte nur, ohne dass die Tür sich öffnen ließ. Er versuchte es erneut, setzte sein ganzes Gewicht ein, doch ohne Erfolg. Die Tür war von außen abgesperrt. Eric war im Krankenzimmer gefangen.
Ein lähmendes Gefühl der Hoffnungslosigkeit breitete sich in ihm aus, ähnlich der Droge, die der Krankenpfleger ihm injiziert hatte. Das Wasser im Korridor war inzwischen bis fast zur Unterkante des Türglases gestiegen, und Eric beobachtete, wie es unablässig weiter stieg und das Glas mehr und mehr bedeckte, wobei es das Tageslicht ausschloss. Eric stellte interessiert fest, dass er plötzlich unter die Wasseroberfläche sehen konnte, als würde er eine Taucherbrille tragen. Der Korridor draußen war inzwischen zur Gänze mit Meerwasser voll gelaufen, doch die Alarmlampe blinkte eigenartigerweise noch immer.
Irgendetwas schwamm in heftigen Stößen auf das Fenster zu und drückte die Wrackteile beiseite, die den Weg versperrten. Eric sah, dass es eine Krankenschwester war.
Sie hämmerte mit der Faust gegen das Glas. Die Augen quollen ihr aus den Höhlen, und die Adern traten dick an den Schläfen hervor. Eric beobachtete in entsetzter Faszination, wie sie vor seinen Augen ertrank und schließlich erschlaffte, während ein paar letzte Luftblasen aus ihrem Mund quollen. Er spürte, wie das Schiff sank, und hörte ringsum das Metall ächzen und stöhnen. Die rote Alarmlampe verlosch mit einem letzten Knall, und der Korridor draußen lag in völliger Schwärze. Eric wandte sich vom Fenster ab und spähte in die trübe Dunkelheit des Krankenraums …
… und spürte die Blicke eines Augenpaares, als der andere ihn anstarrte. Irgendetwas begann in der Dunkelheit zu leuchten, ein gelbliches, wirbelndes Rot. Eric spürte, wie es kälter wurde. Langsam kam das Augenpaar aus der Dunkelheit auf ihn zu … leuchtend, bedrohlich. Eric war mit ihm gefangen, rettungslos und ohne Hoffnung, während die Galla langsam auf den Grund des Ozeans sank.
September 2007
Pazifischer Ozean 100 Seemeilen
vor der Küste von Bougainville
Amerikanisches Forschungsschiff Sea Lion
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H aben Sie die Aufnahme?«
»Oui.«
»Und? Ist sie brauchbar?«
»Oui.«
»In Ordnung, dann schwenken Sie jetzt nach links … langsam … so ist es gut, immer schön langsam … in Ordnung.« Der französische Regisseur Pierre Devereaux stand mit gegen den rollenden Wellengang gespreizten Beinen auf dem glatten Hecküberhang des amerikanischen Forschungsschiffs Sea Lion. Devereaux und seine Crew waren seit zwei Wochen an Bord, um für den französischen Fernsehsender La Découverte einen Dokumentarfilm über die Tiefsee-Bergesysteme des Schiffes zu drehen.
»Haben Sie das Unterseeboot mit drauf?«, fragte Devereaux und sah den Kameramann fragend an.
»Davon haben Sie nichts gesagt.«
»Aber natürlich! Selbstverständlich wollte ich das Unterseeboot auf dem Bild! Darum ging es doch bei der Aufnahme!« Devereaux riss verzweifelt die Hände über den Kopf, doch eine Welle zwang ihn, sich rasch wieder an der Reling festzuklammern. »Darum ging es doch bei dieser Einstellung! Das Meer, dann der Schwenk aufs Unterseeboot. Die Einstellung ist nicht im Kasten, solange wir das Boot nicht drauf haben.«
»In Ordnung, ça va .« Der Kameramann seufzte. »Dann mache ich die Einstellung eben noch mal.« Er drehte den Schirm seiner Mütze nach hinten und drückte das Auge wieder gegen das Okular der Kamera. »Aber Sie haben nicht
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