Dämon
der Kanzel zeigte den strahlend blauen Himmel, der nur von gelegentlichen weißen Wolkenfetzen durchbrochen wurde. In der Mitte schwappten die Wellen gegen das Plexiglas, und darunter lag das ungewisse Blau der Tiefe. Ein Taucher der Sea Lion schwamm in Sicht, umgeben von einem Vorhang aus Luftblasen. Er bewegte sich auf das U-Boot zu und löste die Sicherungsleinen, bis das kleine Gefährt frei im Meer schwamm.
Nat streckte den Hals und blickte schräg nach unten, wo die beiden französischen IMAX -Taucherinnen die gesamte Operation filmten. Das Funkgerät knackte, und durch den kleinen Lautsprecher auf der Steuerbordseite drang die Stimme von Yi. »In Ordnung, bereit zum Tauchen. Ihr könnt loslegen, Leute. Viel Glück.«
Randy drückte auf den Sprechknopf, sagte »Danke« und wandte sich an Nat. »Dann wollen wir mal.«
»Ja.«
Der französische Kameramann grinste. »Alles klar zum Tauchen.«
»Alles klar zum Tauchen.« Nat schüttelte den Kopf. »Also schön. Beginnen wir unsere Reise zum Grund des Meeres.«
Nat drückte den Joystick nach vorn und gab Schub auf die Motoren. Langsam sank das U-Boot unter die Wasseroberfläche, und die Wellen stiegen vor der Plexiglaskanzel in die Höhe, bis sie vollständig untergetaucht war. Nat blickte nach oben und sah, wie zuerst die Wasseroberfläche und schließlich der Himmel durch die rollenden Wellen dunkler und immer verschwommener wurden.
Bei fünfzehn Metern Tiefe überholten sie die beiden französischen IMAX -Taucherinnen. Die langen Haare der beiden Frauen schwebten um ihre Köpfe, als sie der Sea Horse mit trägen Flossenschlägen ihrer langen, gebräunten Beine in die Tiefe folgten, um den Abstieg zu filmen.
»Warum haben amerikanische Schiffe nie solche Besatzungsmitglieder? Wir könnten individuelle Kabinen einrichten für eine Show wie die da.«
Randy tippte Nat auf das Knie, legte einen Finger auf die Lippen und nickte unmerklich nach hinten in Richtung der Kamera.
»O ja, ich hatte ganz vergessen, dass wir gefilmt werden. Ich muss aufpassen, was ich sage.« Nat grinste und blickte durch das Bullauge nach draußen, um einen letzten Blick auf die beiden Französinnen zu erhaschen. Sie hatten zu filmen aufgehört und schwammen langsam zur Oberfläche zurück.
Mit einem Seufzer wandte Nat sich wieder dem blauen Wasser unterhalb des U-Boots zu und beobachtete, wie die Farben langsam verblassten und dunkler wurden, bis die Sea Horse von undurchdringlichem Schwarz umgeben war, während sie tiefer und tiefer sank. Das einzige Licht kam von den grünlich schimmernden Displays vor ihnen. Der Tauchgang beraubte sie fast aller Sinne, bis auf den schalen Plastikgeschmack im Mund und das leichte Surren der Klimaanlage.
Weiter und weiter fielen sie, als es einen Meter pro Sekunde dem Meeresboden entgegenging, eingeschlossen in eine zweieinhalb Meter durchmessende Kapsel, Tausende von Metern unter der Wasseroberfläche.
»He!«, sagte eine leise Stimme. »He!«
Eine Krabbe drängte sich gegen Nats Bein und blickte aus schwarzen Stielaugen zu ihm auf.
Er schob sie angeekelt von sich, doch eine zweite Krabbe erschien und marschierte auf langen Beinen herbei. »Meine Güte!« Er schauderte, als er spürte, wie irgendetwas seinen Arm packte.
Langsam schüttelte er den Kopf und öffnete die Augen.
»Aufwachen!«, sagte Randy und schüttelte Nats Arm. »Wir sind fast da.«
Nat stöhnte und rieb sich gähnend die Augen. »Ich hatte einen merkwürdigen Traum. Ich krieg schon wieder diese Dreitausend-Meter-Träume.«
Seine Beine waren wegen des engen Sitzes fast eingeschlafen und brannten wie Feuer. Er lehnte sich nach hinten und streckte sich, so gut es in dem engen Raum möglich war. Tauchfahrten in einem so kleinen U-Boot waren zum größten Teil die reinste Langeweile. Die gesamte Fahrt in die Tiefe und wieder hinauf dauerte fast zehn Stunden, während derer sie nur saßen und nach draußen auf das eintönige schwarze Wasser vor der Plexiglasscheibe starrten. Es war ein Gefühl wie ein Langstrecken-Nachtflug mit eingeschaltetem Autopilot. Im U-Boot herrschte Dunkelheit, und die grünliche Instrumentenbeleuchtung reichte kaum aus, um Randys Gestalt erkennen zu lassen.
Hinter ihnen saß der französische Kameramann und las mit Hilfe einer Stiftlampe in einem Taschenbuch, das er Rücken an Rücken zusammengeklappt hielt. Nat schloss erneut die Augen und lauschte dem leisen Rauschen des Wassers ringsum. Ganz nah an seinem Ohr tappte etwas gegen das Fenster. Das
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