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Dämon

Dämon

Titel: Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Delaney
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kreisen, um die Spannung in der Halsmuskulatur zu lösen.
    Mit Ausnahme der beiden Stunden, in denen es geregnet hatte, hielt Tate sich seit acht Uhr an Ort und Stelle auf und hatte Stoff verkauft, hauptsächlich CoCo, gekochtes Kokain. Doch das Geschäft, das kurz vor und nach dem Regen gut gelaufen war, hatte gegen zwei Uhr früh nachgelassen, und in der letzten halben Stunde hatte er nur noch herumgesessen. Es war keine besonders gute Nacht gewesen: Crackköpfe, die mit ein paar dreckigen Ein-Dollar-Noten bezahlten und glaubten, sie könnten den Rest mit einer zerlumpten alten Jacke oder sonst einem Scheiß abstottern, den sie irgendwo hatten mitgehen lassen. Seine Stammkunden wussten, dass es nur Ware gegen Bares gab, aber ständig hatte man mit Neuen zu tun oder mit den Scheißköpfen, die einfach nicht kapieren wollten.
    Auf der anderen Straßenseite erklang lautes Lachen. Die Tür einer Bar flog krachend auf, und zwei Frauen stolperten Arm in Arm nach draußen. Sie hielten sich gegenseitig auf den Beinen. Mit Ausnahme ihrer unterschiedlichen Haare hätte man sie für Zwillinge halten können; beide trugen eng sitzende schwarze Leggings und Tank-Tops.
    Reggie wandte sich wieder um und starrte in den Park hinaus, wo sein Partner auf der anderen Seite des Rasens wartete. Jay war fünfzig Meter entfernt und lag auf einem Poncho, wo er im Licht einer Parklaterne ein Videogame spielte.
    »Was treibst du da, Jay?«, flüsterte Reggie wütend vor sich hin. »Scheiße, Mann, du solltest so tun, als wärst du ein verdammter Obdachloser! Das ist keine Spielhölle, du Arsch!«
    Jay denkt nicht für fünf Cent in die Zukunft, dachte Reggie. Er lebt nur für den Augenblick. Alonzo, der »Bienenzüchter«, der Reggie mit Ware versorgte und dafür einen Anteil von vierzig Prozent der Einnahmen kassierte, hatte einen Friseurladen die Straße runter. Er brachte die Jungs von der Straße in sein Hinterzimmer; dann hielt er ihnen eine lange Rede über das Leben als Schwarzer und über die Armut. Alonzo war sechsunddreißig und erzählte den Kids liebend gern, dass er selbst so angefangen hatte wie sie. Heute besaß er einen Abschluss in Informatik, einen eigenen Laden und drei Autos.
    »Wenn ihr in diesen Bus steigt, kommt ihr genauso weit«, pflegte Alonzo zu sagen, um dann auf zwei geschlossene Schubladen in einem Schrank im Hinterzimmer zu zeigen. In Schublade eins lag ein nagelneues Paar Turnschuhe. In Schublade zwei lagen zehn Flaschen CoCo, gekochtes Kokain.
    Schublade eins – bloß ein Paar Schuhe.
    Schublade zwei – eine geschäftliche Chance.
    Wenn man Nummer eins wählte, marschierte man einfach aus dem Laden und sah Alonzo niemals wieder.
    Wählte man Nummer zwei, arbeitete man für den »Bienenzüchter«. Die zehn Flaschen waren geliehen. Man nahm sie mit auf die Straße, verkaufte sie, kam mit dem Geld zu Alonzo zurück und kaufte davon mehr CoCo. Dann zog man wieder los, brachte den Stoff unter die Leute, ging wieder zu Alonzo und kaufte noch mehr – und so weiter, und so fort. Reggie erinnerte sich noch, wie er im Hinterzimmer gesessen und seine Wahl getroffen hatte. Heute war er bei vierhundert Flaschen angelangt.
    Natürlich hatte er schon gesessen. Zwei Jahre im Blade-State-Gefängnis. Und die zwei Jahre waren verdammt hart gewesen. Mann, er erinnerte sich noch genau an das Loch. Ganz allein im Dunkeln, zeitweise in Einzelhaft. Und es gab viele Typen, die nur darauf warteten, an deinen Hintern zu kommen.
    Reggie schüttelte den Kopf und erhob sich einmal mehr von der Bank, um Jay den Kopf zu waschen, als er unter den Bäumen auf der anderen Seite des Teichs plötzlich eine Bewegung bemerkte. Ein Typ mit unsicherem Gang, der sich immer wieder umblickte und dann über den Teich zu Reggie starrte. Ein weiterer Kunde, der nicht wusste, wie er sich verhalten sollte. Wieder warf Reggie einen Blick auf die Uhr, während er darauf wartete, dass der Kunde einen Entschluss fasste. Einen Augenblick später hatte der Typ entweder geschnallt, dass keine Gefahr drohte, oder die Gier auf einen Fix wurde übermächtig. Er kam direkt auf Reggie zu.
    Selbst auf die Entfernung, über den Teich hinweg, konnte Reggie sehen, dass der Typ in einem grauenhaften Zustand war. Er trug eine alte, eng sitzende Jeans, schmutzige Turnschuhe und eine Baseballmütze. Wohl kaum ein Undercover; die sahen meist viel zu scharf aus, jede Menge Gold und schicke Klamotten, und es waren meistens Schwarze oder Hispanos. Kein hässlicher weißer

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